Selberin braucht Hilfe Existenzangst drückt auf die Seele

Christl Schemm
Unvorhergesehene Ausgaben wie eine Nachzahlung für die Heizung werden für Menschen, die wenig Geld haben, schnell zum Problem. So ist das auch bei einer alleinerziehenden Mutter aus Selb. Foto: picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Eine Mutter von drei Kindern aus Selb versucht, ihre Familie allein über Wasser zu halten. Wenn unvorhergesehene Ausgaben hinzukommen, wird es schwierig.

 
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Seit eineinhalb Tagen ist der Warmwasserboiler kaputt. Marion P., die in Wirklichkeit anders heißt, hat fast nicht geschlafen. Beim Gespräch mit unserer Zeitung ist sie immer noch ein bisschen aufgeregt, weil sie seit dem Vortag versucht, einen Handwerker zu bekommen, um das Problem zu lösen. Sie hat viel telefoniert und auch der Hausverwaltung erklärt, was los ist. Der Warmwasserboiler in der Wohnung in Selb tropft trotzdem immer noch vor sich hin. Unter dem Gerät steht ein Eimer, in dem sich das Wasser sammelt.

Eigentlich wirft die 35-Jährige so schnell nichts aus der Bahn. Denn sie ist daran gewöhnt, ihren Alltag und jenen ihrer Kinder zu managen, sich Problemen zu stellen. Die Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter im Alter zwischen fünf und elf Jahren ist alleinerziehend. Also fallen sämtliche Aufgaben, die mit der Erziehung und Betreuung der Kinder sowie dem Haushalt und den Finanzen der Familie zusammenhängen, ihr zu. Dafür setzt sie sich mit ganzer Kraft ein. „Ich bin zu stolz, um Geld vom Jobcenter zu nehmen und selbst nicht arbeiten zu gehen“, sagt sie. „Außerdem will ich meinen Kindern zeigen, dass man für sein Geld etwas tun muss. Und ich denke, dass es viele Menschen gibt, die dringender Geld vom Staat brauchen als wir.“

Geringer Lohn

Bis vor Kurzem hat Marion P. in der Gastronomie im Schichtdienst gearbeitet. 900 Euro im Monat hat sie dafür nach eigenen Angaben als Lohn bekommen. Dieser reichte nicht einmal aus, um die Miete von 485 Euro sowie Strom- und Gaskosten von monatlich 450 Euro zu bezahlen. „Ich habe nur für ein Dach über dem Kopf und die Nebenkosten gearbeitet“, sagt die junge Frau. Seit Anfang März dieses Jahres ist sie nun als ambulante Hauswirtschaftshelferin tätig. Doch auch hier ist der Lohn für 20 Stunden monatlich gering: 1000 Euro. „Ich kann ja leider nicht ganztags arbeiten, da ich mich um meine Kinder kümmern muss“, sagt die Selberin.

Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhalt, Unterhaltsvorschuss des Jugendamts und Zuschüssen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für Schulbedarf oder Ausflüge der Kinder komme sie gerade so hin, berichtet die dreifache Mutter. „Dieses Geld bekommt man aber nur, wenn man den Kinderzuschlag beantragt hat. Die Bearbeitung der Anträge dauert manchmal sehr lange, und man muss sie jedes halbe Jahr neu stellen“, schildert Marion P. die Situation. Die Folge: permanente Existenzängste, die auf die Seele drücken.

Kinder brauchen Winterkleidung

Kommen außergewöhnliche Ausgaben hinzu, wird es schwierig. Eine Nachzahlung, die wegen der allgemein gestiegenen Gas- und Stromkosten an den Energielieferanten zu bezahlen war, sowie eine Autoreparatur haben die Haushaltskasse schwer belastet. „Ich brauche das Auto ja berufsbedingt“, erklärt die Mutter. Glücklicherweise könne sie beide Rechnungen mit Ratenzahlungen begleichen. Bei der Winterkleidung für die Kinder geht das nicht. „Die Kinder wachsen ja ständig aus ihren Klamotten heraus. Ich musste wieder warme Kleidung kaufen, denn meine Kinder haben einen langen Schulweg. Sie sollen nicht frieren.“

Zu den Sorgen wegen des Geldes kommt zudem eine weitere Herausforderung, die die Mutter bewältigen muss: Ihre Tochter leidet an einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung. Fachleute haben nach Tests einen geringen Intelligenzquotienten attestiert. „Sie ist zwei bis drei Jahre zurück und besucht jetzt die Förderschule“, sagt Marion P.. Dies alleine reiche aber als Förderung nicht aus. Das Kind brauche außerdem Logopädie und andere Therapien. „Das ist ein enormer Zeitaufwand, den ich allein für die vielen Fahrten zu Ärzten und zum Logopäden brauche.“ Auch zu Hause benötige das Mädchen mehr Aufmerksamkeit, „auch wenn es sonst ein ganz normales Kind ist“ – in einer Familie, die zusammenhält und versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

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