Seltene Krankheiten Bürger forschen mit

red
Die App der Hochschule steht auch in den gängigen App-Stores zur Verfügung. Foto: Pixabay/MariusMB

Die Hochschule Hof schafft eine App zur Erfassung von Seltenen Erkrankungen. An die Auswertung der Daten knüpfen Ärzte große Hoffnungen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In Europa gilt eine Erkrankung als selten, wenn sie nicht mehr als fünf von 10 000 Menschen betrifft. Dazu zählen Krankheiten mit Namen wie Lennox-Gastaut-Syndrom, Vaskulitis, Neurofibromatose oder Sarkoidose. Auf dem Weg zur Diagnose erleben Betroffene oft eine Odyssee, da auch Fachärzte und spezialisierte Einrichtungen für diese Erkrankungen selten sind. Mit etwa 8000 verschiedenen seltenen Erkrankungen und vier Millionen Betroffenen in Deutschland sind zudem die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht immer einfach zugänglich. Das Forschungsprojekt „SelEe – Seltene Erkrankungen“ der Hochschule Hof will hier Abhilfe schaffen und das Bewusstsein dafür erhöhen. Eine App ist neu entstanden und soll unterschiedlichste Daten zusammenführen.

Das Forschungsprojekt möchte neue Erkenntnisse gewinnen – „dabei ist uns wichtig: Wir binden die Bürgerinnen und Bürger direkt ein – das heißt, sie forschen mit uns“, erklärt Forschungsgruppenleiter Professor Dr. Jörg Scheidt vom Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof (iisys). „Denn oft ist es so, dass Betroffene von Seltenen Erkrankungen sehr gut informiert sind, manchmal sogar besser als ihr Hausarzt. Und deswegen ist ihr Wissen sehr wichtig für uns. Insgesamt sind die Kenntnisse über Seltene Erkrankungen sehr heterogen, hier wollen wir Klarheit schaffen.“

Neue App Die neu geschaffene App richtet sich an Betroffene, ihre Angehörigen und an Selbsthilfegruppen. „Diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr motiviert. Das Kernforschungsteam besteht aus zehn Mitgliedern von Selbsthilfegruppen“, erklärt Scheidt. Zumeist handelt es sich dabei um Frauen, die eine Gruppe leiten und zum Teil eine große Fachexpertise besitzen, auch selber Ärztinnen sind. „Aber auch Mütter von betroffenen Kindern sind dabei.“

Die App soll zunächst kalenderartig Gesundheitsdaten speichern. Betroffene oder deren Angehörige können ihre Daten regelmäßig – täglich oder auch nur monatlich – eintragen. In einer Art Baukastensystem lassen sich Krankheiten mit den unterschiedlichsten Ausprägungen eintragen: Anfallsdaten, Gewicht, Blutdruck, Puls oder auch die Schlafqualität. „Die Patienten konfigurieren das ganz nach Bedarf und treffen so auch die Entscheidung, was genau ist wichtig für ihre Krankheit“, erläutert der Forscher. Und hier kommen dann auch wieder die Selbsthilfegruppen ins Spiel: Sie können weiterhelfen, wenn man noch gar nicht so genau weiß, auf was man achten muss und welche Daten tatsächlich wichtig sind.

Technische Unterstützung Das Hofer Institut für Informationssysteme leistet auch technische Unterstützung, wenn gewünscht. Auf der Webseite und in der App gibt es zudem nützliche Erklärvideos. Auf den Datenschutz wird großer Wert gelegt: „Natürlich sind die eingegebenen Informationen über die Erkrankungen sehr sensible Daten. Deshalb verzichten wir weitgehend auf die Erfassung persönlicher Daten wie Name, Adresse und genaues Geburtsdatum“, betont Jörg Scheidt. Außerdem erfolgen alle Datenübertragungen verschlüsselt. Zur Auswertung werden die Daten vollständig anonymisiert.

Für die Betroffenen selbst hat die Erfassung unter anderem den Sinn, dass bei regelmäßigen Einträgen eine individuelle Auswertung der persönlichen Daten verfügbar ist, die sich auch als pdf-Dokument teilen und ausdrucken lässt. Die Daten können zudem als csv-Datei für die Weiterverarbeitung in Excel heruntergeladen werden.

Nutzerkreis im Aufbau Der Nutzerkreis befindet sich erst im Aufbau: „Da die App noch ganz neu ist, haben wir bislang nur wenige Patientinnen und Patienten im System. Aktuell sind es 30, und unser erstes Ziel wären um die Hundert“, sagt der Forschungsgruppenleiter. Auch wenn sich das zunächst wenig anhört: „Wir sind guten Mutes, denn wir haben bereits in einem anderen Projekt – dem Deutschen Kopfschmerz- und Migräneregister – klein angefangen und haben jetzt schon 8000 Beteiligte. In der nächsten Zeit werden wir stark darum kümmern, die App zu bewerben und weitere Daten zu sammeln. Und dann kommt die Auswertung der gesamten Gruppe, aus der sich die Ärzte sehr viele neue Erkenntnisse erhoffen.“

Förderung für Bürgerforschung Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium gefördert, das Bürgerinnen und Bürger einbinden möchte. Scheidt erläutert den Ansatz: „Forschung ist keine Einbahnstraße, sondern es geht um einen engen Austausch zwischen der klassischen Wissenschaft und der neuen Bürgerforschung. Dies bezeichnet man als Citizen Science, das Ministerium sieht hier ein großes Innovationspotenzial.“ Die zentrale Plattform heißt www.buergerschaffenwissen.de, hier findet man alle geförderten sowie viele weitere Projekte aus dem Bereich der Bürgerforschung. Bei allen 15 geförderten Projekte gibt es eine Begleitforschung mit Kongressen und Workshops.

Zur App: Die SelEe-App ist für iOS und Android verfügbar. Sie kann über den Google-Play-Store und den Apple-App-Store heruntergeladen werden.

Bilder