Theater an der Schule Aus der Unbeschwertheit in den rechten Abgrund

Silke Meier
Regisseur Jean-Francois Drozak bei der Probe mit zwei Schülern, die aus Sicherheitsgründen nicht erkennbar sind. Foto: /Silke Meier

Selber Mittelschüler zeigen auf der Bühne, wie leicht Jugendliche in den Sog von Neonazis geraten. Regisseur Drozak will junge Leute mit dem Stück warnen.

 
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Theatermacher Jean-Francois Drozak geht sehenden Auges durch die Reihen des Publikums. Es scheint jede Regung wahrzunehmen. Unaufgeregt stellt er Fragen und macht damit bewusst, wie unbeschwert verlogen in der rechtsradikalen Szene subversive Jugendarbeit praktiziert wird. Konkret ausgedrückt: mit welch perfiden Mitteln Jugendliche angelockt werden.

Sicherheit der Darsteller geht vor

Harmlos soll das zunächst wirken. Eine Freifahrt ins Fußballstadion wäre denkbar. Die Teilnahme ist kostenfrei, Anmeldung per QR-Code. Die Einladung zu einer großen Party kann es sein. Eintritt ist frei, Anmeldung per QR-Code. Es macht ein bisschen befangen, sich den Sog vorzustellen. Dreieinhalb Tage probte der freischaffende Theatermacher mit Schülern der Dr.-Franz-Bogner-Mittelschule in Selb das Theaterstück „acht.acht“.

Drozak legt größten Wert auf die Sicherheit der Jugendlichen. Fotos sind streng verboten. Die Jugendlichen bleiben außerhalb der Vorstellung unerkannt und geschützt. Was sie zeigen, ist jenseits der Bühne verboten. „Für die rechte Szene ist dieses Theater eine Provokation“, mahnt der Regisseur. Den Schülerinnen und Schülern scheint das bewusst zu sein. Sie spielen sehr emotional, hoch konzentriert, ausdrucksstark, einschüchternd. Nach dem Theaterstück bekommen sie Standing Ovations. „Wir wollen alles tun, damit wir auch in 20 Jahren noch glücklich hier leben können“, sagte Jean-Francois Drozak, der einen brasilianischen, belgischen und einen deutschen Pass hat. Liebe, Respekt und Toleranz beugten dem Hass vor, meinte er. Und: „Was wir auf der Bühne spielen, soll warnen!“

Stetige Gewalt-Spirale

Gezeigt wurde ein Kampf, ähnlich dem Boxen. Deckung, tänzeln, Angriff. Die Spirale der Gewaltbereitschaft entwickelte sich langsam, aber stetig. Am Anfang stand der lockere Freizeittreff. Das Verhalten wurde aggressiver und politisch ideologisiert. Gemeinschaftssymbole kamen hinzu – und der Hass.

„Der beste Schutz vor Extremismus ist demokratische Jugendarbeit“, machte Drozak deutlich. Schulen und Bildungsträger, die demokratischen Alltag pflegten, stärkten Jugendliche. Und die seien damit weniger anfällig für die Verblendung extremistischer Gruppen. Diese seien auch als internationale Rechte getarnt und würden mit einer Kultur von Gelassenheit und Diplomatie unterwegs sein.

Deutlich wird in dem Theaterstück die Gewaltbereitschaft als einzige Form der Anerkennung. Gewalt erzeugt Angst und erzwungene Achtung. Gefährlich ist die Sucht nach dem kurzzeitigen Machtgefühl, das durch Gewalt entsteht und öffentliche Aufmerksamkeit nach sich zieht. Der lange Applaus für die bewundernswerte Leistung der Schüler war hoch verdient. Im Unterricht werde das Thema in den kommenden Tagen aufgearbeitet, betonen Rektor Carsten Kunstmann und Konrektorin Manuela Rahm. Schulamtsdirektor German Gleißner zollte den Darstellern größten Respekt. Die Fachstelle „Demokratie leben“ förderte das Projekt.

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