In der Region Großer Andrang bei Tante-M-Eröffnung

Hier erledigt der Kunde alles selbst: Im neuen Thiersheimer Nahversorger gibt es kaum Personal, dafür Öffnungszeiten, die keine Wünsche offen lassen.

 
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Am Ende ist es dann doch irgendwie kinderleicht: auswählen, scannen, zahlen. Es geht ja nur ums Einkaufen. Wobei gerade das ein echter Luxus sein kann, wie die Thiersheimer erfahren mussten. Mehr als ein Jahr lang gab es keinen Nahversorger am Ort – eine Lücke, die Tante-M jetzt geschlossen hat. Der Luxus ist zurück. Vielleicht sogar ein bisschen schicker, gemütlicher und zukunftsträchtiger als zuvor.

Am Dienstagnachmittag öffnete in Thiersheim die erste Tante-M-Filiale im Landkreis Wunsiedel ihre Pforten. Es ist die vierte in Bayern und die 43. in Deutschland. „Und es wird bald noch viel mehr geben. Denn das ist die Zukunft der Nahversorgung im ländlichen Raum“, sagte Tante-M-Gründer Christian Maresch. Zu diesem Zeitpunkt drängten sich Hunderte um die Eingangstür der ehemaligen VR-Bank-Filiale in der Hauptstraße, die nun endlich einen Blick in das Innere werfen wollten. Doch vor das Einkaufserlebnis haben die Götter bekanntlich viele Reden gesetzt, die gesprochen und gehört werden wollten. Das Tante-M-Team reichte den Zuhörern Kuchen und warme Wiener, und angesichts der doch eher frostigen Temperaturen hielt Maresch Glühwein für angebrachter als Sekt und Saft.

„Hast scho’ g’hört?“

„Mit dem Ansturm haben wir gerechnet“, gab der Thiersheimer Bürgermeister Werner Frohmader zu. Der sei ja auch ein Zeichen dafür, dass die Leute sich darauf gefreut hätten. „Kommt rein, kauft ein“, rief er den Gästen zu. Frohmader freute sich, dass in dem Gebäude, in dem anno 1750 bereits Markgräfin Wilhelmine weilte, sich nun wieder Menschen begegnen könnten. Sein Dank galt Christian Maresch, Franchise-Nehmer Andreas Gerullis und allen voran Rolf Küstner, dem umtriebigen Gemeinderat und Autohofbetreiber. Er hatte im Vorfeld alles darangesetzt, schnellstmöglich wieder eine Nahversorgung in der Gemeinde zu etablieren.

Haben gut Lachen: Initiator Rolf Küstner, Franchisenehmer Andreas Gerullis und Tante-M-Gründer Christian Mareschb (von links) stoßen auf den Erfolg an.

Nachdem die Verantwortlichen auf den Erfolg des Ladens angestoßen hatten, drängte es alle nach innen. Nicht wenige nahmen sofort den Sitz- und Verweilbereich in Beschlag, für den es laut Küstner noch einen Namen braucht. Er selbst schlug „Hast scho’ g’hört?“ vor. Wie Frohmader hofft auch er, das sich dort die Thiersheimer regelmäßig zum Schwätzchen treffen. Wer dort also einen Platz ergattert hatte, beobachtete das Gewusel im Laden. Die Besucher nahmen das Angebot in Augenschein, prüften Auswahl und Preise und reihten sich in die Schlange vor der Kasse ein. Bei Tante-M ist Do-it-yourself angesagt, oder anders: Hier macht der Kunde alles selbst. „Das ist kein Hexenwerk“, sagte Werner Frohmader, und wie zum Beweis zeigten die gerade die Kinder, wie – nun ja – kinderleicht der Laden funktioniert. Der Einkauf wird gescannt und der auf einem Monitor angezeigte Betrag entweder bar, dann aber bitte passend, oder mit Karte bezahlt.

Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit

Rund 1100 Artikel hält Tante-M auf rund 100 Quadratmetern in Thiersheim vor. „Alles für den Alltagsbedarf und zu einem normalen Preis“, wie Maresch erklärt. Seine Läden seien nicht für den großen Wocheneinkauf gedacht. In erster Linie würden „Kleinigkeiten“ besorgt. „Und das ist doch ein Stück Lebensqualität, wenn ich schnell besorgen kann, was mir fehlt.“ So sieht Christian Maresch Tante-M nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu großen Einkaufsmärkten. „Wir haben uns auf den ländlichen Raum spezialisiert, in dem es gar keine oder nur sehr wenig Einkaufsmöglichkeiten gibt. Und da gibt es erschreckend viele Orte“, sagt Maresch und belegt das mit seinen Zahlen: Vier Filialen hat er in den zurückliegenden zehn Tagen eröffnet. Seit zwei Jahren bekommt Tante-M täglich eine neue Standortanfrage. Das Land sei attraktiv für junge Familien. „Nur sind die tagsüber nicht da. Und deswegen haben es klassische Läden schwer.“ Tante-M dagegen hat von 5 bis 23 Uhr geöffnet und spreche so jeden Teil der Bevölkerung an. Das, so Christian Maresch, sei der Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit.

Für Franchise-Nehmer Andreas Gerullis ist es der dritte Tante-M-Laden. Er freute sich nicht nur über den großen Andrang zur Eröffnung, sondern auch darüber, dass vom Kauf des Gebäudes über den massiven Umbau im Inneren bis hin zur Installation der Ladeneinrichtung gerade einmal drei Monate vergangen waren.

Wunschzettel für neue Produkte

„Gesagt – getan. Wir haben uns einmal zusammengesetzt und jetzt steht das Ding da. So macht das Spaß“, freute sich Rolf Küstner und lobte die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Handwerkern. Lösungsorientiert habe der Thiersheimer Marktgemeinderat die Weichen für den neuen Nahversorger gestellt, und das Regionalbudget habe schließlich den Verweilbereich gefördert. „Das Grundsortiment ist da, der Rest wird wachsen“, sagte Küstner. Angedacht sei noch eine Regionalecke im hinteren Bereich. „Die Nachfrage der regionalen Anbieter ist da. Sie werden auch zum Zug kommen.“ Darüber hinaus haben Kunden die Möglichkeit, ihre Wünsche zu äußern. „Alle Ideen sind uns wichtig“, machte Andreas Gerullis deutlich. „Wenn ein Produkt Potenzial hat, nehmen wir es ins Sortiment auf.“

Glückwünsche überbrachte der Wunsiedler Landrat Peter Berek. „Ich bin in einem Lebensmittelgeschäft groß geworden“, sagte er. „Mit Schrecken sehe ich, wie sie immer weniger werden.“ Er hofft, dass die Thiersheimer das Angebot zu schätzen wissen und das Angebot annehmen.

Röslau im Gespräch

Beeindruckt vom Ansturm auf die Thiersheimer Tante-M-Filiale zeigte sich CSU-Landtagsabgeordneter Martin Schöffel. Ein personalfreier Laden sei ein Novum im Landkreis Wunsiedel, sagte er. Nahversorgung gehöre in die Zentren der Gemeinden. „Die Märkte an den Ortsrändern müssen endlich der Vergangenheit angehören“, sagte Schöffel.

Einer beobachtete das Treiben in Thiersheim ganz genau: Torsten Gebhardt, Bürgermeister in Röslau, möchte Tante-M auch in seinen Ort holen. Zwar gibt es noch einen Metzger und einen Bäcker, doch Ende März schloss der Schlemmermarkt. Waren des täglichen Bedarfs gibt es seither nicht mehr. „Wir sind im Gespräch mit Christian Maresch und einem Franchise-Nehmer“, sagte Gebhardt. Er sei guter Hoffnung, dass auch ein neuer Laden am alten Standort in der Brückenstraße betrieben werden kann.

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