"Behavioral Enrichment"
Fachleute sprechen von "Behavioral Enrichment" (deutsch: Verhaltensanreicherung), wenn es um Beschäftigungsprogramme geht. Hier sei eine rasante Entwicklung zu beobachten und die Ideen schier unüberschaubar, heißt es vom Verband der Zoologischen Gärten. Die Palette der Möglichkeiten reiche von teuren Spielgeräten bis hin zum Papiersack, der mit Leckereien oder Duftstoffen versehen sei. Auch Verhaltenstraining bis hin zu Dressur-Programmen mit Robben oder Elefanten seien Varianten. "Überall dort, wo Enrichment-Programme angewandt werden, ist eine Steigerung der Lebensqualität deutlich sichtbar", so der Verband.
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit sei auch das medizinische Training, berichtet Annette Klein. Damit würden die Tiere auf Untersuchungen vorbereitet. "Ziel ist es, dass ich ein Tier freiwillig zur Mitarbeit bekomme", so die Ärztin. Primaten präsentierten inzwischen beim Impfen freiwillig Arm oder Hintern und Tiger ließen sich freiwillig Blut abnehmen. Für die Tiere sei dieses Training eine Bereicherung, da sie auch vom Kopf her gefordert würden. "Für uns als Tierärzte ist es ein riesiger Zugewinn, wenn wir den Tieren zum Beispiel auch antrainieren können, zum Wiegen an einen bestimmten Ort zu gehen", so die Ärztin.
Fastentage bei Raubtieren
Auch im Münchner Zoo Hellabrunn werde darauf geachtet, dass sich die Tiere ausreichend bewegen, berichtet Sprecherin Lisa Reininger. Dazu gehöre für einige Tiere ebenfalls das medizinische Training oder das Enrichment, wie beispielsweise Spielzeug mit Duft bei den Tigern oder auch mal eine Keule bei den Eisbären. "Es ist aber eigentlich so, dass sich die Tiere auf ihren Anlagen gut von selbst bewegen - wichtig dabei ist, dass bei Raubtieren auch Fastentage eingeplant sind, also, dass die Tiere eben nicht dauerhaft "vollgefressen" sind und dadurch bewegungsträge werden", so die Sprecherin.
Auch schon die Vergesellschaftung, also das Zusammenleben mit anderen Arten, könne Tiere stimulieren, sofern sie soziale Wesen und keine Einzelgänger seien, erklärt Annette Klein. Auf der vor etwa sechs Wochen eröffneten Otterinsel leben auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern neben den Zwergottern auch Hirscheber und Schopfmakaken. Die Tiere seien neugierig aufeinander und seien allein schon deshalb regelmäßig im Revier unterwegs. Und schließlich seien auch abwechslungsreiche Reviere und Klettermöglichkeiten wichtig.
Bäume erklimmen dank Muskelmasse
Dank der Kletterbäume habe das Schopfmakakenmännchen Thore bereits ordentlich Muskelmasse zugelegt und sei nun in der Lage, drei Meter hohe Bäume zu erklimmen. Das habe der Neuzugang aus einem anderen Zoo vor wenigen Wochen nicht geschafft, berichtet Klein. Der 13-Jährige sei eher von der kräftigen Sorte. "Das Gewicht ist zwar nicht runter, aber es ist ein wenig umverteilt. Er hat Fett in Muskelmasse umgewandelt", so Klein über den Affen. Sein Körper werde definierter.
Unerwartet aktiv sei auch ein Hirschebermännchen in dem Revier, berichtet Pflegerin Agnetha Weinbrenner. Mehrmals täglich balanciere es am steinigen Ufer des etwa 300 Quadratmeter großen Teichs entlang. Das erfordere viel Geschick und sei ebenfalls jeweils eine willkommene Bewegungseinheit, ergänzt Annette Klein.