Tödliche Prügel Am eigenen Blut erstickt

Alkohol soll am Vorabend reichlich geflossen sein. Foto: dpa/Jens Büttner

Körperverletzung mit Todesfolge und Totschlag durch Unterlassen. Das wirft die Staatsanwaltschaft zwei Männern vor. Sie sollen ihren Freund so stark geschlagen haben, dass der später starb.

 
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Hof - Es ist ein wüstes Besäufnis, zu dem sich am 17. April des vorigen Jahres, mitten in der Corona-Zeit, drei Männer in einer Wohnung in Rehau treffen. Es gibt mindestens anderthalb Flaschen Whiskey, dazu Wein und ein bisschen Marihuana. Am Abend des nächsten Tages liegt einer von ihnen, der 44-jährige Hausmeister Uwe S., tot auf dem Wohnzimmerfußboden – mit 1,8 Promille Alkohol im Blut und zahlreichen schweren inneren Verletzungen. Wie es dazu gekommen ist und wer dem damals 44-jährigen Uwe S. diese Verletzungen zugefügt hat, darum geht es in einem Verfahren, das am Freitag vor dem Landgericht Hof begonnen hat.

Folgt man Andre S., dem Inhaber der Wohnung, dann hat es an diesem Abend überhaupt keine Gewalttätigkeiten gegeben. Es sei nur so, dass sein alter Freund Uwe S. nicht nur ein schwerer Alkoholiker gewesen sei, sondern beim Trinken auch zu Ausfällen geneigt habe. Schon am Nachmittag jenes Tages kam die wegen Ruhestörung gerufene Polizei vorbei und nahm Uwe S. das Marihuana ab, das er mitgebracht hatte. Später sei auch noch der damals 19-jährige Robin R. hinzugekommen, ebenfalls ein Bekannter von Andre S.

Am Abend sei Uwe S. so betrunken gewesen, dass er beim Gang auf die Toilette auf den Wohnzimmertisch gekracht sei, berichtete Andre S. Später sei er noch einmal auf ein Sideboard gestürzt. Außerdem habe er sich selbst auf die Lippen gebissen, bis diese bluteten. Deshalb habe er ihn aufgefordert, sich im Bad zu säubern.

Die Anklageschrift geht davon aus, dass sich Andre S. und Robin R. darüber ärgerten, dass Uwe S. torkelte und unpassende Kommentare beim gemeinsamen Xbox-Spielen gab. Daher hätten sie gemeinsam mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen. Andre S. sei mit den Füßen auf den am Boden liegenden Uwe S. gesprungen. Gerichtsmediziner stellten später eine beidseitige Rippenserienfraktur fest. Weil er stark zu bluten begann, schickten beide Uwe S. ins Bad, um sich zu säubern.

Andre S. widerspricht dieser Version vehement. Niemals würde er gegen seinen alten Freund gewalttätig werden, versichert er vor Gericht. Es habe in dieser Nacht nur ein eher scherzhaftes Stänkern gegeben. Uwe S. habe im Bad übernachtet und sei dort nächsten Morgen gesessen, als Andre S. gegen 6 Uhr aufstand, um sich zur Arbeit fertig zu machen. Er habe Robin R. noch aufgetragen, ein Frühstück zu machen, dann sei er gegangen. Als er abends wiederkam, sei Uwe S. schon tot gewesen.

Wie Gerichtsmediziner feststellten, starb der 44-Jährige an den Folgen der Verletzungen, die er in der Nacht zuvor erlitten hatte. Neben dem Rippenreihenbruch waren dies ein Einriss in der Speiseröhre und massive Verletzungen im Mund- und Rachenraum. Letztlich erstickte er am Tag nach der Sauftour über Stunden an seinem eigenen Blut. Der ganze Körper war von Hämatomen übersät. All das könne nur eine Folge schwerer Misshandlungen sein. Mit einem Sturz auf einen Tisch sei dies nicht zu erklären, erläuterte Professor Peter Betz, der Leiter der Gerichtsmedizin an der Universität Erlangen, im Gerichtssaal.

Nach der Tat hatte zunächst der 19-jährige Robin R. die Schuld an den Verletzungen auf sich genommen. Den ersten Polizisten vor Ort berichtete er, Uwe S. „einen aufs Auge“ gegeben zu haben. Deshalb sitzt Robin R., anders als Andre S., den er als väterlichen Freund bezeichnet, in Untersuchungshaft.

In der Hauptverhandlung belastete er nun erstmals Andre S. schwer. Dieser habe sich sehr geärgert, dass sich der betrunkene Uwe S. so daneben benommen habe und trotz Aufforderung die Wohnung verlassen wollte. Deshalb habe er ihn über Stunden mit starken Faustschlägen traktiert und später ins Bad geschickt, damit er ihm nicht die ganze Wohnung mit seinem Blut verschmutze. Als Andre. S. am nächsten Morgen zur Arbeit ging, sei Uwe S. auf allen vieren vom Bad zum Wohnzimmersofa gekrochen.

Später am Tag habe der 44-Jährige sich plötzlich eingenässt und habe auf Ansprachen und Rütteln nicht mehr reagiert. Deshalb habe er die Notfallnummer gewählt und bis zum Eintreffen der Sanitäter Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt – letztlich vergebens. Nach Überzeugung des Gerichtsmediziners muss Robin R. jene Schläge geführt haben, die letztlich zum Tod von Uwe S führten. Es bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Verletzungen und dem Ersticken durch das Blut. Andre S. komme als Verursacher nicht in Frage, da er ja am Morgen die Wohnung verlassen habe.

Beiden Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge und Totschlag durch Unterlassen vor.

Einen überaus zwiespältigen Eindruck hinterließ vor Gericht das Rettungsteam, das an jenem Abend in die Rehauer Wohnung gerufen wurde. Sowohl die beiden Rettungssanitäter als auch die Notärztin sagten aus, dass Uwe A. intubiert und beatmet wurde und dies auch ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sei. Der Brustkorb habe sich gehoben und gesenkt. Nach der Ansicht von Professor Betz kann dies nicht der Wahrheit entsprechen. Bei der Obduktion stellten er und seine Mitarbeiter fest, dass der Mundraum des Toten voller Blut war, sogar eine Zwei-Euro-Münze fand sich darin. Die Luftröhre war vollkommen mit Blut gefüllt. Betz knapp und bündig: Eine fachgerechte Beatmung könne es gar nicht gegeben haben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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