Viele Tatverdächtige gehören zur ersten Kategorie. Doch es gebe in der Region auch eine nicht unerhebliche Zahl an Fällen der zweiten Kategorie, also aus dem Kreis der Konsumenten mit pädophilen Neigungen. Beunruhigender Fakt: „Hier hatten wir auch schon Tatverdächtige, die beruflich mit Kindern zu tun haben“, berichtet Jürgen Schlee. Fälle, in denen pornografisches Material mit Kindern selbst angefertigt wurde, wie sie zuletzt in Münster oder Bergisch-Gladbach Aufsehen erregten, gebe es in der Region bisher nicht. „Zum Glück“, sagt der Kriminaldirektor.
Zum Verständnis muss man wissen: Zum Tatverdächtigen zu werden, das ist inzwischen ziemlich einfach und bedarf nicht immer aktiven Zutuns. Denn um die Opfer von Kindesmissbrauch besser schützen zu können, wurden die Strafhöhen für die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornografischer Inhalte durch eine Gesetzesänderung im Juli 2021 deutlich angehoben, sodass die Mehrheit dieser Straftaten nun als Verbrechen eingestuft wird.
Oft verbreiten sich solche Inhalte über Gruppenchats in sozialen Medien wie Whatsapp. Häufig ist der strafbare Inhalt dann schon auf dem Mobiltelefon gespeichert – und die Straftat damit bereits begangen. Aktuell hat die Kriminalpolizei Hof einen Chat mit 400 Personen in Bearbeitung, dessen Teilnehmer aber nicht zwangsläufig alle in der Region wohnen müssen. In der Statistik sind diese Daten noch nicht aufgelaufen. Das passiert erst, wenn die Kripo einen Fall an die Staatsanwaltschaft übergibt. Gerade im Bereich der Kinderpornografie könnten sich die Zahlen schon aufgrund der Verbreitungswege täglich ändern.
Nicht selten seien kinderpornografische Inhalte auch in Chatgruppen von Schulklassen zu finden, wo sie unbedacht und unreflektiert zur „Belustigung“ eingestellt würden. Unsere Zeitung beleuchtete dieses Phänomen im Dezember in einem ausführlichen Interview. Immerhin: Meist handle es sich in solchen Fällen „nur“ um im Vergleich zu brutalen Vergewaltigungsszenen harmloseres Bildmaterial. Das verhindert nicht, dass die Polizei dann in die Schulen geht und die Handys als Tatwerkzeuge einsammelt. In der Regel bekommen die Jugendlichen die Geräte nicht zurück. Das hat auch abschreckende Wirkung: „Wenn man ihm sein Handy abnimmt, ist das für einen jungen Menschen oft das Schlimmste“, weiß Schlee.
Auch bei erwachsenen Privatpersonen stehe die Kriminalpolizei häufig mit Durchsuchungsbeschlüssen vor der Tür, wenn etwa im Vereins- oder Arbeitschat Kinderpornografie in Umlauf gekommen ist. „Und was das dann in den Familien bewirkt, können Sie sich vorstellen.“
Kripo-Leiter Schlee fordert alle, die auf diesem Wege kinderpornografisches Material zugespielt bekommen haben, dazu auf, sofort deutlich zu machen, dass man mit der Verbreitung von Darstellungen solcher Art nicht einverstanden sei: „Löschen Sie den Inhalt unverzüglich und kommentieren Sie den Vorgang im Chat negativ!“ So verhindere man nicht nur, dass sich Kinderpornografie im Schneeballsystem weiterverbreitet, sondern tue sich zudem selbst einen Gefallen, weil eine deutliche Distanzierung auch in der Strafverfolgung berücksichtigt werde.
„Es ist jetzt schwer, den richtigen Ton zu treffen“, sagte Landrat Oliver Bär nach Schlees Ausführungen. „Mir fehlen die Worte, mir fehlt das Verständnis. Ich finde es richtig, dass hier hart durchgegriffen wird.“ Allen, die sich mit dem Thema beruflich auseinandersetzen müssen, sprach er seine Hochachtung aus.