Um 244 Prozent Kinderpornografie-Fälle im Landkreis Hof stark gestiegen

Starker Tobak: Auch in Hof setzt sich eine Arbeitsgruppe der Kriminalpolizei mit kinderpornografischem Material auseinander. Foto: /Rolf Vennenbernd/dpa

Ein Anstieg um 244 Prozent war in diesem Bereich im Landkreis Hof zuletzt zu verzeichnen. Manch einer wird auch deshalb zum Straftäter, weil er ein Bild gegen seinen Willen über Chatgruppen zugespielt bekommt. Was die Hofer Kripo an Material sichten muss, ist oft verstörend. Einige Tatverdächtige haben beruflich mit Kindern zu tun.

 
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Kinderpornografie. Es ist ein Thema, das die ansonsten überwiegend positiven Entwicklungen in Sachen Kriminalitätszahlen im Landkreis Hof emotional überschattet. Ein Abgrund. Jürgen Schlee, Leiter der Hofer Kriminalpolizei, schonte den Kreisausschuss nicht, als er am Freitagmorgen während der Vorstellung des Sicherheitsberichts für das Jahr 2021 auf die Entwicklungen in diesem Bereich einging. „Die Kollegen sagen oft: Besonders schlimm ist es, wenn man Videos sichten muss, die auch Ton haben, man die Kinder schreien und kreischen hört. Die Männer missbrauchen sie oft so massiv, dass man am liebsten die Augen und die Ohren verschließen möchte.“ Sätze, die in die Magengrube treffen.

Die Beamtinnen und Beamten der Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendpornografie bekommen solches Material immer wieder unter die Augen; sie werden deshalb seelsorgerisch betreut. Ihre Arbeit geht, auch über die Arbeitszeit hinaus, an die Nieren – ist aber notwendig. Bayern-, ja, deutschlandweit sind die Fallzahlen in Sachen Kinderpornografie zuletzt fast überall gestiegen. Vor der Region macht diese Entwicklung nicht halt.

Allein im Landkreis Hof gab es im Jahr 2021 insgesamt 86 Fälle in Zusammenhang mit Kinderpornografie, bei denen die Täter hier auch ihren Wohnsitz haben. Das ist eine Steigerung um 61 Fälle – oder: 244 Prozent – im Vergleich zum Vorjahr. Nach einzelnen Orten aufgeschlüsselt möchte Schlee die Fallzahlen nicht öffentlich präsentieren, damit keine Stigmatisierung entsteht.

Die Gründe für den Anstieg seien vielfältig, führte Schlee aus. Als Hauptschuldige macht er jedoch generell die zunehmende Digitalisierung des Lebens verantwortlich. In Windeseile lasse sich schließlich jeder beliebige Inhalt mit nur einem Knopfdruck an große Personengruppen schicken. Überhaupt besäßen immer mehr Menschen Smartphones. Nicht zuletzt sei während der Corona-Pandemie, die zeitweise eine Beschränkung auf das Häusliche notwendig machte, die Internetnutzung stark gestiegen. Schlee erwartet sogar noch einen weiteren Anstieg im Bereich der Kinderpornografie.

Er differenziert bei den Tätern in diesem Feld zwischen drei Härtestufen: Es gibt Personen, die nur ein einziges kinderpornografisches Bild besitzen, oft weil sie es ohne ihr aktives Zutun zugespielt bekommen haben. Es gibt aber auch diejenigen, die bewusst nach derartigem Material suchen, weil sie pädophile Neigungen haben und sich davon einen Lustgewinn versprechen. Schlussendlich gibt es diejenigen, die kinderpornografisches Material selbst anfertigen. Gerade in letzterer Kategorie führt der Weg wiederum stufenweise immer weiter in einen menschlichen Abgrund. Da ist der Großvater, der seine Enkel beim Duschen filmt. Und da ist der Mann, der junge Menschen festhält, um sie auf brutalste Weise zu missbrauchen und das Ergebnis ins Netz zu stellen.

Viele Tatverdächtige gehören zur ersten Kategorie. Doch es gebe in der Region auch eine nicht unerhebliche Zahl an Fällen der zweiten Kategorie, also aus dem Kreis der Konsumenten mit pädophilen Neigungen. Beunruhigender Fakt: „Hier hatten wir auch schon Tatverdächtige, die beruflich mit Kindern zu tun haben“, berichtet Jürgen Schlee. Fälle, in denen pornografisches Material mit Kindern selbst angefertigt wurde, wie sie zuletzt in Münster oder Bergisch-Gladbach Aufsehen erregten, gebe es in der Region bisher nicht. „Zum Glück“, sagt der Kriminaldirektor.

Zum Verständnis muss man wissen: Zum Tatverdächtigen zu werden, das ist inzwischen ziemlich einfach und bedarf nicht immer aktiven Zutuns. Denn um die Opfer von Kindesmissbrauch besser schützen zu können, wurden die Strafhöhen für die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornografischer Inhalte durch eine Gesetzesänderung im Juli 2021 deutlich angehoben, sodass die Mehrheit dieser Straftaten nun als Verbrechen eingestuft wird.

Oft verbreiten sich solche Inhalte über Gruppenchats in sozialen Medien wie Whatsapp. Häufig ist der strafbare Inhalt dann schon auf dem Mobiltelefon gespeichert – und die Straftat damit bereits begangen. Aktuell hat die Kriminalpolizei Hof einen Chat mit 400 Personen in Bearbeitung, dessen Teilnehmer aber nicht zwangsläufig alle in der Region wohnen müssen. In der Statistik sind diese Daten noch nicht aufgelaufen. Das passiert erst, wenn die Kripo einen Fall an die Staatsanwaltschaft übergibt. Gerade im Bereich der Kinderpornografie könnten sich die Zahlen schon aufgrund der Verbreitungswege täglich ändern.

Nicht selten seien kinderpornografische Inhalte auch in Chatgruppen von Schulklassen zu finden, wo sie unbedacht und unreflektiert zur „Belustigung“ eingestellt würden. Unsere Zeitung beleuchtete dieses Phänomen im Dezember in einem ausführlichen Interview. Immerhin: Meist handle es sich in solchen Fällen „nur“ um im Vergleich zu brutalen Vergewaltigungsszenen harmloseres Bildmaterial. Das verhindert nicht, dass die Polizei dann in die Schulen geht und die Handys als Tatwerkzeuge einsammelt. In der Regel bekommen die Jugendlichen die Geräte nicht zurück. Das hat auch abschreckende Wirkung: „Wenn man ihm sein Handy abnimmt, ist das für einen jungen Menschen oft das Schlimmste“, weiß Schlee.

Auch bei erwachsenen Privatpersonen stehe die Kriminalpolizei häufig mit Durchsuchungsbeschlüssen vor der Tür, wenn etwa im Vereins- oder Arbeitschat Kinderpornografie in Umlauf gekommen ist. „Und was das dann in den Familien bewirkt, können Sie sich vorstellen.“

Kripo-Leiter Schlee fordert alle, die auf diesem Wege kinderpornografisches Material zugespielt bekommen haben, dazu auf, sofort deutlich zu machen, dass man mit der Verbreitung von Darstellungen solcher Art nicht einverstanden sei: „Löschen Sie den Inhalt unverzüglich und kommentieren Sie den Vorgang im Chat negativ!“ So verhindere man nicht nur, dass sich Kinderpornografie im Schneeballsystem weiterverbreitet, sondern tue sich zudem selbst einen Gefallen, weil eine deutliche Distanzierung auch in der Strafverfolgung berücksichtigt werde.

„Es ist jetzt schwer, den richtigen Ton zu treffen“, sagte Landrat Oliver Bär nach Schlees Ausführungen. „Mir fehlen die Worte, mir fehlt das Verständnis. Ich finde es richtig, dass hier hart durchgegriffen wird.“ Allen, die sich mit dem Thema beruflich auseinandersetzen müssen, sprach er seine Hochachtung aus.

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