Veranstaltungstipps "Ich versuche, nicht peinlich zu sein"

"Ich versuche, nicht peinlich zu sein" Quelle: Unbekannt

Comedy, Musik und Kabarett: Willy Astor hat alles durch. Sein neues, ernstes Album "Chance Songs" steckt voller Sprachwitz - und ist obendrein eine Liedermacherarbeit in der Tradition von Reinhard Mey.

 
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Von Björn Springorum

Termine

Willy Astor ist dabei, wenn nach 30 Jahren "Songs an einem Sommerabend" das Open-Air-Festival oberhalb von Kloster Banz zum ersten Mal unter dem Namen "Lieder auf Banz" über die Bühne geht. Am 7. und 8. Juli präsentiert der Wort-Akrobat jeweils von 19 Uhr an sein aktuelles Programm "Chance Songs". Eine weitere Gelegenheit den Liedermacher live in der Region zu erleben ist der "Tambacher Sommer" im Innenhof des gleichnamigen Schlosses im Coburger Land. Willy Astor und seine hochkarätigen Musiker-Freunde machen dort am 21. Juli, von 20.30 Uhr an, den Auftakt bei der Veranstaltung. Der Kabarettist und seine Kollegen präsentieren Stücke aus dem instrumentalen Projekt "Sound of Islands". Einen Tag darauf gastiert Astor dann von 19.30 Uhr an in Nürnberg im Serenadenhof. Nochmals ist er dort am 7. August zu erleben. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.

Herr Astor, in "Warte niemals bis du Zeit hast" singen Sie davon, dass das Leben kein gerader Strich ist. Woher wissen Sie das?

Meine Großtante beschwor mich schon als kleiner Bub, ich solle mir bloß nichts für später aufheben. Bis heute versuche ich, mir jeden Tag einen Freiraum zu schaffen, in dem ich mir bewusst mache, am Leben zu sein, und in Demut auf das schaue, was ich habe. Es ist immens wichtig festzustellen, dass wir nicht zum Meckern auf der Welt sind.

Das Leben als Künstler ist ein besonders ungerades. Muss man das innig umarmen, um zu bestehen?

Man muss zumindest lernen, mit Rückschlägen umgehen zu können. Einen meiner ersten großen Nackenschläge bekam ich mit 14 Jahren. Damals ging ich von der Hauptschule, um bei BMW zu arbeiten, und fand mich mit zwei Jahre älteren Leidensgenossen in einem einengenden Schraubstock wieder. Ich feilte fortan um mein Leben, denn ich wusste: Bestehe ich die Probezeit nicht, muss ich in den Betrieb meines Vaters, um unter seinen Fittichen eine Ausbildung zum Fernsehtechniker zu machen. Das wollte ich um jeden Preis vermeiden.

Was wäre Ihnen für Ihre beiden jungen Söhne lieber: Ähnliche Erfahrungen oder die gerade Linie?

Sollten sie mich um Rat fragen, würde ich ihnen zuallererst mit auf den Weg geben, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen sollen. Das ist das Wichtigste. Verlasse dich auf andere, und du bist verlassen. Dennoch würde ich ihnen den einen oder anderen Wellengang gönnen. Nicht, weil ich sie gern leiden sehe, sondern, weil so etwas neue Perspektiven aufzeigt.

Wie verändert das Vatersein einen Künstler?

Meine Kinder haben mich gelehrt, die Welt wieder genau anzusehen. Ihnen entgeht nichts, kein Glitzern, kein Stein. Diese Achtsamkeit habe ich durch sie neu gelernt, darüber bin ich sehr froh. Aber natürlich bringt diese Rolle eine ganz andere Verantwortung mit sich, weil eben plötzlich eine Familie an meinem Rockzipfel hängt. Ich habe kürzlich ein Haus gekauft, das erste Mal in meinem Leben Schulden gemacht. Da macht man sich schon Gedanken über seine Zukunft.

Beeinflussen diese Gedanken Ihr Wirken?

Eine gute Nummer ist eine gute Nummer. Natürlich mache ich mir Gedanken, ob ein neues Stück so gut ist wie ein besonders geglücktes älteres. Aber ich merke es dem Publikum ja an. Eine gute Nummer auf der Bühne zu bringen und Applaus dafür zu ernten ist wie Sex. Das stachelt mich an.

Ihr erstes ernstes Liedermacher-Album erschien erst 2003. Was hat Sie davon abgehalten, die Rolle des Musikers schon früher in dieser Form offiziell zu umarmen?

Bei mir sind die Menschen ein vielfältiges Programm gewöhnt. Ich bin ein großer Freund des Kalauers, doch das ist mittlerweile nur eine Seite. Mit Mitte 50 fühle ich mich in der Lage, auch mal über meine Niederlagen zu schreiben.

Auch die Liebe ist ein Thema auf dem Album.

Die Liebe ist das Wichtigste, das wir haben. Wenn ich darüber singe, bringt mich das natürlich gefährlich nah an die SchlagerUntiefen heran. Doch ich habe zumindest redlich versucht, nicht peinlich zu sein und Gefühle zu vermitteln, ohne gleich nach Andrea Berg zu klingen.

Das klingt eher nach Reinhard Mey.

Er ist einer meiner ganz großen Helden. Mehr noch als Konstantin Wecker, der eine Menge Wut im Bauch hat. Das finde ich zwar genauso wichtig, aber diese Wut verspüre ich gar nicht. Ich möchte die Leute nicht wachrütteln. Ich möchte sie in eine sinnfreie Welt entführen, sie mal wieder herzerfrischend lachen lassen. Eskapismus ist das Schlüsselwort, diese Ausbruchstendenzen erkenne ich auch bei mir. Deswegen schreibe ich auch mal einen Song darüber, wie es wohl wäre, mit einem Hausboot durch die Weltgeschichte zu schippern.

Ihre Musik kommt ungemein weltoffen daher, umschließt Pop, Chanson, Weltmusik. Woher rührt diese Offenheit?

Meine Mutter wollte dauernd irgendwohin. Zu Pfingsten nach Italien, sommers nach Jugoslawien. Ich merkte früh, dass es mehr gibt als das deutsche Leben in den eigenen vier Wänden. Es gibt ein Leben unter Pinien in einem Zelt, das imponierte mir. Als ich mein eigenes Geld verdiente, reiste ich um die halbe Welt, fand überall Inspiration.

Gleichsam scheint aber auch Lokalpatriotismus eine große Rolle zu spielen, seit bald 20 Jahren ist Ihr "Stern des Südens" die offizielle Hymne des FC Bayern München. Beruf oder Berufung?

Die Idee kam mir ganz spontan, ohne einen Auftrag oder dergleichen. Ich ging zum Stadionsprecher Stephan Lehmann, vollendete den Song mit ihm und landete dann einige Wochen später bei Hoeneß im Büro. Er war total baff und beschloss kurzerhand, das Lied zur offiziellen BayernHymne zu machen. Bis heute ist das streng genommen mein einziger wirklicher Hit. (lacht)

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