Vier-Tage-Woche Wenn der Freitag zum Wochenende wird

Die Firma Zieher aus Himmelkron führt die Vier-Tage-Woche ein. Mit der Maßnahme will das Unternehmen vor allem eines: Neue Fachkräfte gewinnen.

 
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Die Chefs Dominik Zieher, Jennifer Hübsch und Oliver Zieher reduzieren in ihrem Betrieb die Arbeitsstunden. Foto: Zieher KG

Als die Geschäftsführung um die drei Geschwister Dominik Zieher (CEO), Jennifer Hübsch (CFO) und Oliver Zieher (CMO) bei einer Mitarbeiterversammlung verkündeten, dass sie ihren Arbeitnehmern nun einen Tag Wochenende „schenken“, brach der Raum spontan in Applaus aus. „Ich freue mich auch schon“, sagt Nikolan Borger, Marketing-Manager bei Zieher in Himmelkron. Kleine Familienbetriebe könnten schneller auf Personalveränderungen reagieren als große Konzerne, aber auch er hätte nicht gedacht, dass die Chef-Etage so schnell handelt.

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Doch wie es scheint, ist Not am Mann: „Wir schalten bereits Annoncen und Werbung. Wir brauchen demnächst neue Leute.“ Er findet es sinnvoll, dass jetzt schon Maßnahmen ergriffen werden und nicht erst „wenn die Personalsituation unerträglich wird“. In den vergangenen Wochen haben zwei Mitarbeiter den Tabletop- und Buffetgeschirr-Hersteller verlassen. Zudem gebe es im Vertrieb einen älteren Mitarbeiter, der bald in Rente geht. Dazu sucht Zieher weitere Unterstützung im Vertrieb und Controlling – und natürlich neue Auszubildende. Vor einigen Jahren noch mussten Absolventen der Betriebswirtschaftslehre einen harten Konkurrenzkampf absolvieren, um sich einen spannenden und lukrativen Arbeitsplatz zu sichern. Doch mittlerweile können auch die BWLer Ansprüche stellen – und finden dennoch mit Leichtigkeit einen Job. „Das Extremste, was ich gehört habe, war ein Bewerber, der meinte, am Dienstag müsse er um halb fünf gehen, denn da hat er Yoga“, erzählt Nikolan Borger. „Gewisse Rücksichten sind meiner Meinung nach ok, aber das ist ja mitten am Arbeitstag.“ Dennoch findet er es gut, die bestehenden Arbeitszeiten in Frage zu stellen: „Wenn wir nach dem Motto ‚Wir haben schon immer 40 Stunden gearbeitet und das bleibt für immer so‘ handeln, hilft uns das auch nichts.“ Die Geschäftsführung sei von sich aus auf die Idee gekommen. Sie sei interessiert daran, ihre circa 35 Mitarbeiter zu halten – und wenn möglich, noch weitere gute Leute zu bekommen. Laut Borger gibt es bereits gemischte Arbeitszeit-Modelle bei Zieher. Ein Kollege aus der IT dürfe auch regelmäßig Home Office machen, weil er 60 Kilometer weit weg wohnt. Doch flächendeckendes Home Office könne der Geschirr-Designer nicht anbieten, wegen „enger Absprachen auf kurzem Kommunikationsweg“. Die Mitarbeiter schienen das zu akzeptieren, doch in Einzelgesprächen mit den Chefs wurde klar: Wenn ihr gute Leute haben wollt, müsst ihr auch etwas bieten.

Die 40 Stunden Arbeitszeit in der Woche werden nun umgemünzt auf 35 Stunden auf vier Tage. Das bedeutet auch: Dieselbe Arbeit muss in weniger Zeit passieren. „Deswegen ist es vorerst ein sechsmonatiger Testverlauf.“ Doch laut Borger geht die Geschäftsführung davon aus, dass die nun neu motivierten Mitarbeiter ihre Arbeit in dieser Zeit schaffen. Auch die Chefs selbst sollen am Freitag dann frei haben – in der Praxis werde das aber wahrscheinlich nicht der Fall sein: „Die drei sind sowieso immer erreichbar, weil es ihr Familienbetrieb ist.“

Und die Kunden? Nach eigenen Aussagen liefert Zieher in 88 Länder weltweit. Borger sieht das entspannt: „Der Freitag ist bei uns sowieso ruhig. Und manche Kunden müssen dann eben am Donnerstagabend bestellen.“