Vor 19 Jahren in Spanien Vertauscht auf der Geburtsstation

Martin Dahms
Ein Neugeborenes: Auf der Säuglingsstation in Spanien wurden vor 19 Jahren zwei Babys verwechselt. Foto: dpa-Zentralbild/Arno Burgi

In Logroño sind vor 19 Jahren zwei neugeborene Mädchen vertauscht worden. Eine der beiden jungen Frauen kam auf die Wahrheit. Sie fordert jetzt drei Millionen Euro Schadenersatz.

 
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Madrid - Im Kino ist es meistens lustig. Den Franzosen Étienne Chatiliez inspirierte das Thema 1988 zu seiner brillanten Komödie „Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss“. Aber wenn das Leben das Kino imitiert, ist es nicht mehr lustig. Auf der Geburtsstation mit einem anderen Säugling vertauscht zu werden, bedeutet für den Betroffenen „einen unermesslichen immateriellen Schaden“, sagt der Anwalt José Sáez Morga aus der nordspanischen Stadt Logroño. Einer Klientin von ihm ist genau das vor 19 Jahren geschehen. Jetzt fordert sie Schadenersatz. Aber der Schaden, den sie erlitten hat, ist nicht wieder gut zu machen.

Logroño ist die Hauptstadt der Weinbauregion La Rioja, und in einer dortigen Klinik, die es mittlerweile nicht mehr gibt, kam das Mädchen María im Jahr 2002 als Frühchen zur Welt. Sie heißt nicht wirklich María: Es ist der Name, den ihr die Lokalzeitung „La Rioja“ gegeben hat, die als erste über den Fall berichtete. Die 19-Jährige will anonym bleiben. Die wenigen bekannten Einzelheiten der Geschichte hat ihr Anwalt erzählt.

Niemand erkannte damals die Verwechslung

Am selben Tag wie María, fünf Stunden früher, war in derselben Klinik ein anderes Mädchen zur Welt gekommen, das noch 20 Gramm weniger wog als María und deswegen ebenso wie diese gleich nach der Geburt in einen Brutkasten gelegt wurde. Als beide genügend aufgepäppelt waren, wurden sie ihren Müttern gegeben – den falschen, wie wir heute wissen. Niemand erkannte damals die Verwechslung.

María hatte kein Glück mit den angenommenen Eltern. Als sie ein Jahr alt war, kam sie zur Großmutter, der Mutter der falschen Mutter, weil die Eltern zu einer ordentlichen Erziehung nicht in der Lage waren. Mit 15 erfuhr María, dass sie nicht die leibliche Tochter des Paares war, das sie für ihre Eltern hielt: Die hatten im Verlaufe eines Unterhaltsprozesses ihre DNA untersuchen lassen, und zur allgemeinen Überraschung waren weder Vater noch Mutter mit María verwandt.

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Es mussten erst juristische und bürokratische Hürden genommen werden, bis María ihrer eigenen Geschichte von der Verwechslung im Krankenhaus auf den Grund kam. Als sie endlich erfuhr, wer ihr Vater und wer ihre Mutter waren, war die Mutter gerade gestorben. María lebt noch immer bei der Großmutter, die nicht ihre Großmutter ist.

Die Behörden bieten der Klägerin 215 000 Euro

Der Anwalt fordert vom öffentlichen Gesundheitssystem der Region La Rioja nun gut drei Millionen Euro Schadenersatz. Er glaubt an keine vorsätzliche Verwechslung, sondern an eine aus Unachtsamkeit. Das Gegengebot der Behörden sind 215 000 Euro.

Der Reporter von „La Rioja“, der die Geschichte auftat, sprach mit einer Kinderschwester, die vor 19 Jahren in der Klinik von Logroño arbeitete. Die ratlose Frau konnte das Unglück Marías kaum fassen. „Es ist fast unmöglich, dass so etwas passieren würde“, sagte sie. Und die Gesundheitsministerin der Region La Rioja beteuert: „Wir können garantieren, dass sich eine solche Situation nicht wieder ergeben wird.“ Heute bekommen nicht nur die Säuglinge ein Armband ums Handgelenk, sondern auch die Mütter, mit identischem Code.

Geschichten wie diese geschehen selten in Europa, aber sie geschehen. In Deutschland bekanntermaßen zuletzt in Saarlouis im Jahr 2007. Damals klärte sich die Verwechslung nach einem halben Jahr auf. Eine der Mütter, Jeannine Klos, schrieb über ihre Erfahrung ein Buch: „Übermorgen Sonnenschein“. Für María wird die Sonne eher nicht so bald wieder scheinen.

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