Waldershof Neue Lehre mit 41 Jahren

Ulla Britta Baumer
Kerstin Schraml serviert ihrer Schulleiterin, Doris Eckl, im idyllischen Garten der Neumühle einen leckeren Käsekuchen. Kuchen und Torten sind Schramls Spezialität. "Und ich hatte Glück in der praktischen Prüfung, weil das Thema Backen zu meinen Aufgaben gehörte", freut sie sich. Foto: ubb

Kerstin Schraml drückt noch einmal die Schulbank. Die Ausbildung zur Hauswirtschafterin bereitet ihr viel Freude.

 
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Waldershof - Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung: Diese Berufsbezeichnung hat Kerstin Schraml, die in Neumühle bei Waldershof wohnt, erstmals auf dem Kemnather Bauernmarkt vor zwei Jahren bewusst wahrgenommen. "Ich hatte mit Lernen nichts mehr am Hut", erzählt die 41-Jährige Bürokauffrau und Mutter von zwei Töchtern im Alter von 15 und 11 Jahren. An einem Informationsstand des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Tirschenreuth traf sie auf Christiana Enslein, die in der einsemestrigen Fachschule für Hauswirtschaft Lehrerin ist.

Nach ausführlichen Gesprächen war für die Mutter die Entscheidung zu einer neuen Ausbildung nicht mehr schwer. "Ich war fest entschlossen: Das will ich machen", so Kerstin Schraml. Nun, im Juli 2020, hat die Neumühlerin, die gemeinsam mit ihrem Mann eine Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt und gleichzeitig in Waldershof arbeitet, ihre Prüfung zur Hauswirtschafterin hinter sich. Ende Juni war ihr letzter Schultag. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickt Kerstin Schraml zurück. Im Nachhinein möchte sie keinen einzigen Tag ihrer späten Schulzeit missen. "Einerseits bin ich froh, es geschafft zu haben", sagt die künftige staatlich geprüfte Hauswirtschafterin. Noch weiß sie zwar ihre Noten nicht, aber ihr Bauchgefühl sagt ihr, dass sie die nicht ganz leichte Prüfung gut hinter sich gebracht hat.

Kerstin Schraml hat mit 21 Frauen in der Tirschenreuther Fachschule begonnen. 13 haben am Ende mit ihr den Abschluss gemacht. "Wir waren am letzten Tag alle sehr traurig, dass die schöne, gemeinsame Zeit vorbei ist", erzählt sie. Hauswirtschaft in Theorie und Praxis: So lautet die Zielsetzung der Schule. Aber kann das eine 41-jährige Hausfrau und Mutter nicht alles schon? Die gelernte Bürokauffrau lacht. "Als meine Nichte erfuhr, dass ich wieder in die Schule gehe, um unter anderem Bügeln und Waschen zu lernen, sagte sie spontan, ihre Mama würde das alles schon können und müsste nicht extra dafür in eine Schule gehen." Doch Haushalt als Beruf erfordert natürlich weit mehr Grundwissen.

Kerstin Schraml hat sich intensiv in allen Unterrichtsfächern reingehängt. Ein Lernfach, das ihr nicht gefallen hat, kann sie nicht nennen. Was sie besonders schätzt: In der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten wird in der Fachschule auch das Selbstbewusstsein gestärkt. Etwa durch die Vorträge, die im Unterricht gehalten werden mussten. "Zuerst dachte ich, vor anderen zu reden, schaffe ich nie. Dann hat’s immer mehr Spaß gemacht."

Ganz nebenbei hat sie auch Nähen gelernt, was ihr vorher eigentlich nie gefallen hat. Heute beherrscht sie den Umgang mit der Nähmaschine, kann noch besser als früher herrliche Torten und Kuchen backen, kennt sich aus mit wäsche- und umweltschonendem Waschen, managt ihren Haushalt wie eine Unternehmerin, beweist sich als Chefin ihres eigenen kleinen "Betriebs Familie". Professionell ins eigene Zuhause integriert hat sie ihr neues Wissen über Gartenbau, der ebenfalls Unterrichtsfach war. Ihre Gemüse- und Blumenbeete sehen jedenfalls perfekt aus.

Die 41-Jährige ist ihrer Familie natürlich sehr dankbar, dass alle ihre neue Ausbildung mitgetragen haben. Wenn auch in der einsemestrigen Fachschule in Teilzeitform nur ein Schultag pro Woche erforderlich ist, war der zusätzliche Aufwand zu Familie und Beruf eine logistische Herausforderung. Auch, weil in den vergangenen Monaten der Unterricht nur noch online stattfinden konnte. Ihr Chef habe ihr immer am Dienstag freigegeben und die Schwiegermutter hat gekocht, wenn Not an der Frau war, freut sich die frischgebackene Hauswirtschafterin. Eine spannende Herausforderung für Kerstin Schraml war es außerdem, erst wieder richtig zu lernen: "Man weiß gar nicht mehr, wie das geht."

Aber jetzt hat sie alles geschafft. Am 28. Juli bekommt sie ihr Zeugnis, darf sich "Fachkraft für Ernährung und Hauswirtschaft" sowie "Hauswirtschafterin" nennen. Kerstin Schraml beschreibt ihre neue Ausbildung als Gewinn für das ganze Leben. "Ich kann nur allen noch unsicheren Anwärterinnen sagen: Macht das!"

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