Hoffnung in der Hölle Welle der Solidarität für verwitweten Vater

Marco Brendel mit Tochter Mia (links) und Sohn Frederik. Er möchte für seine Kinder stark sein. Foto: Nico Schwappacher

Marco Brendel aus Helmbrechts verliert seine Partnerin an Krebs­ und steht mit den gemeinsamen Kindern alleine da. Eine Stiftung startet eine weitere Spendenaktion.

 
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Helmbrechts - Marco Brendel trauert häppchenweise. Wenn die Kinder am Abend im Bett sind, bleiben zwei Stunden, in denen der Schmerz hereinbricht. In denen er hereinbrechen darf. Denn die Bilder, sie sind noch nah: Ende März kommt seine Partnerin Kristina Fraas ins Krankenhaus. Diagnose: Brustkrebs. Endstadium. Die Krankheit hat in Lunge und Leber gestreut. Der Bauchraum ist voller Wasser. Die 32-Jährige, die viele Helmbrechtser als Kinderpflegerin kennen, fällt ins Koma, kommt ans Beatmungsgerät. Dann geht es ganz schnell. Es ist der 28. März, ein Sonntag. „Zehn nach zwölf hat sie losgelassen“, erinnert sich Marco Brendel. Mit ihren Kindern, ein- und zweieinhalb Jahre alt, auf dem Arm. Leberversagen.

Der 39-Jährige muss schlucken. „Bis Freitag hatten wir noch gedacht, das wird alles wieder. Sie war schon immer eine Kämpferin.“ Von den ersten spürbaren Anzeichen der Krankheit bis zum Tod seien nur drei Wochen vergangen. „Andere haben monatelang Zeit, sich auf so etwas vorzubereiten.“ Marco Brendel trifft die Erkenntnis in der ersten Nacht nach dem Tod wie ein Schlag: „Sie wird da nie wieder liegen.“ Wie einen Film habe er die ersten Tage erlebt. „Ich dachte, das ist ein Albtraum, und ich wache gleich auf.“

Trotzdem möchte er nun für seine Kinder stark sein. Sie großzuziehen und nicht wegzugeben, das hatte er seiner Partnerin noch versprochen, kurz bevor sie nicht mehr ansprechbar war. „Die Kinder betrifft es am schlimmsten. Ich werde mich vielleicht irgendwann wieder verlieben. Aber den Kindern kann niemand die Mutter ersetzen. Ich weiß, dass ich als Vater 150 Prozent geben kann – und es wird nie genug sein.“

Nun ist es an ihm, den Kleinen ein behütetes Zuhause zu schaffen. Doch das ist nicht einfach: Marco Brendel ist Hartz-IV-Empfänger. Wegen eines Burn-outs und eines Bandscheibenvorfalls ist er nur beschränkt erwerbsfähig. Angesichts der Kinderbetreuung wäre an Arbeit momentan ohnehin nicht zu denken. Aktuell bewohnt er mit seinen Kindern eine 50-Quadratmeter-Wohnung mit Toilette auf dem Gang und Bad im Erdgeschoss – alles andere als ideal mit zwei Kleinkindern im Haushalt.

Nun plant er, eine Wohnung in einem Mietshaus in der Helmbrechtser Lindenstraße zu sanieren, das seinem Bruder gehört. Das hatten Kristina Fraas und Marco Brendel schon vor Jahren geplant. Die erste Schwangerschaft hielt das Paar davon ab, den dafür nötigen Kredit aufzunehmen, dann die zweite. Schließlich kam der Schicksalsschlag. Auch aktuell fehlen für die Sanierung die Mittel. Marco Brendel ist auf Spenden angewiesen.

Bereits vor einigen Wochen war eine Welle der Solidarität in Helmbrechts losgebrochen, nachdem eine Freundin Brendels in einer Facebook-Gruppe bekundet hatte, eine Hilfsaktion starten zu wollen. Mehrere Helmbrechtser Vereine sprangen darauf an. So kam es, dass der FC Kleinschwarzenbach zusammen mit dem FC Wüstenselbitz und der Faschingsgesellschaft am 8. Mai zu einer Online-Auktion einlud, deren Erlös von etwa 3400 Euro vollständig Marco Brendel und seinen Kindern zugutekam. Alle Geldspenden seien zweckgebunden für die Sanierung, betont der nun alleinstehende Vater. Auch Sachspenden habe er von den Helmbrechtsern bekommen. Die Aktion „Hilfe für Nachbarn“ von Frankenpost und Sparkasse hat einen Kinderwagen spendiert. „Alles, was ich nicht selbst kaufen muss, hilft“, erklärt Marco Brendel.

Nun hat sich auch die Ursula-Etschel-Stiftung mit Sitz in Hof eingeschaltet. Sie hat ein Spendenkonto eingerichtet. So können Spender nun auch eine Quittung erhalten. „Der Fall des Herrn Brendel, auf den wir durch die Berichterstattung in der Frankenpost aufmerksam geworden sind, ist ein Schicksalsschlag, bei dem die Stiftung Hilfe leisten kann“, teilt dazu Stiftungsvorsitzender Dieter Heinicke mit. „Die spontane Hilfe, die durch Mitbürger der Stadt Helmbrechts begonnen wurde, ist beeindruckend und hat Vorbildfunktion. Die Stiftung ist gerne bereit zu helfen und für die Betroffenen vorgesehene Spenden zweckentsprechend einzusetzen.“

Auch Marco Brendel selbst ist überwältigt von der Hilfsbereitschaft, die er in den vergangenen Wochen erfahren durfte. „Ich hatte mein ganzes Leben lang Gegenwind. Jetzt habe ich so viel Rückenwind, dass ich fast umfalle“, sagt er. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Allen, die bereits geholfen haben und noch helfen werden, möchte er seinen Dank aussprechen. Die Online-Auktion hat er selbst mitverfolgt. „Ich war noch nie mit so vielen Leuten alleine“, berichtet er, sichtlich gerührt. Das Wissen, in der „Hölle“, durch die er nun zu gehen habe, nicht allein zu sein, habe ihm „ganz viel Kraft“ gegeben. Ebenso die Hilfsbereitschaft seiner Mutter und Schwiegermutter, von Bruder und Schwägerin, die bei der Kinderbetreuung helfen. „Ich weiß nicht, was Leute in so einer Situation machen, die keine Familie haben.“

Ob er mit der Zeitung über sein Schicksal sprechen möchte, habe er sich lange überlegt. „Aber es geht um die Sache“, erklärt er. Das Versprechen, den Kindern ein guter Vater zu sein, möchte er unter keinen Umständen brechen. Denn seiner verstorbenen Partnerin fühlt sich Marco Brendel auch über den Tod hinaus verpflichtet. Ihre Urne trug er während der Beisetzung selbst zum Grab, obwohl man ihm davon abgeraten habe. Auch in schwierigen Tagen sei sie immer für ihn da gewesen. „Jetzt habe ich alles versucht, auch für sie da zu sein und bin den letzten Weg mit ihr gegangen.“

Das nächste Stück Weg wird Marco Brendel mit seinen Kindern – und der Hilfsbereitschaft vieler im Rücken – alleine gehen müssen. Tägliche Meditation hilft ihm dabei, die Kraft dafür zu finden. „Es ist jetzt wichtig, dass ich auf mich Acht gebe“, betont er. Es muss weitergehen. „Was jetzt nicht passieren darf, ist, dass es mir auch noch die Füße wegzieht.“ Ja, es gehe ihm „beschissen“, sagt er. „Beschissen, aber nicht hoffnungslos.“

Spenden:

Die verstorbene Ursula Etschel gründete im Jahr 2007 die nach ihr benannte Stiftung. Stiftungszweck ist die Unterstützung und Förderung von Kindern der Stadt und des Landkreises Hof sowie von durch Krankheit oder Schicksalsschläge in Not geratenen Eltern und Familien. Wer für Marco Brendel und seine Kinder spenden möchte, kann einen Betrag auf das Konto der Ursula-Etschel-Stiftung überweisen. Dabei sollte Name und Anschrift der Spender und das Stichwort „Brendel“ bei Überweisungen benannt werden, damit die Stiftung Spendenquittungen ausstellen kann. Die Bankverbindung lautet: DE17 7802 0070 0609 5108 70.

 

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