Wochenend-Kommentar Das Inzidenz-Roulette bleibt unübersichtlich

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  Foto: picture alliance/dpa/CDC/Alissa Eckert;Dan Higgins

Bei aller Freude darüber, dass es auch im Fichtelgebirge endlich weniger Corona-Kranke gibt, stellt sich die Frage: Wer blickt im Pandemie-Regel-Dschungel noch durch? Was bei welchem Inzidenz-Wert erlaubt und verboten ist, ändert sich beinahe täglich.

 
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D

as ist schön: Für bayerische Hunde und Grundschüler endet am Montag der Digitalunterricht, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz ihres Landkreises unter 165 fällt. Unklar ist, ob die Hunde wie die meisten Kinder zum Wechselunterricht verdonnert werden. Schlechter dran als die Hunde sind im Freistaat die Jugendlichen: Denn weiterführende Schulen bleiben beim Distanzunterricht, bis der Inzidenzwert unter 100 liegt.

Im Kreis Wunsiedel ist das erfreulicherweise zum ersten Mal seit November gelungen: Bleibt die Inzidenz nun fünf Tage lang unter 100, gibt es ab dem übernächsten darauffolgenden Tag Lockerungen. Allerdings gelten die um einen Tag verzögerten RKI-Werte, nicht die aktuellen des Landkreises. Rückwärts geht es schneller: Überschreitet die RKI-Zahl drei Tage lang die 100, ist ab dem übernächsten darauffolgenden Tag Schluss mit Schule. Alles klar? Halb so schlimm, wenn nicht: Die Regeln für weiterführende Schulen gelten ohnehin nur zwei Wochen, nach den Pfingstferien sollen die Jugendlichen den Hunden gleichgestellt werden und bis zur 165er-Inzidenz zur Schule gehen.

Wer endlich Urlaub vom ewigen Regel-Roulette braucht, darf in den Pfingstferien in Bayern voraussichtlich bis zum 100er-Schwellenwert touristische Angebote nutzen. Deutschlandweit kocht allerdings jedes Bundesland weiter sein eigenes Inzidenz-Süppchen. Wer versucht, da durchzublicken, verdirbt sich garantiert den Magen.

Längst urlaubsreif sind Händler wie Kunden – nach ewigem Auf-Zu-Wirrwarr. Aktuell gilt: Liegt die Inzidenz zwischen 100 und 150, brauchen Käufer einen Termin und einen Negativ-Test, unter 100 nur einen Termin. Ob das aber noch gilt, wenn diese Zeitung gedruckt wird, bleibt fraglich.

Wem der Kopf raucht, der darf inzidenzunabhängig bis 24 Uhr allein zum Joggen raus. Nur in Bayern nicht – da gilt die 100er-Grenze. Im Fichtelgebirge wärmen sich die Jogger für ihren Nachtsport gerade fünf plus zwei plus einen RKI-Tag lang auf. Dass der Sonntag bei der Inzidenzbestimmung in Bayern immer mitzählt, bundesweit nur bei Schließungen, nicht bei Lockerungen, verraten wir lieber nicht. Stattdessen raten wir zu einem Prosit auf die Unübersichtlichkeit.

Denn die Bayern dürfen sich ja bei Werten unter 100 ab Montag bis 22 Uhr in Biergärten betrinken – im Kreis Wunsiedel wegen der berühmten Warteschleife aber frühestens ab Dienstag . Heißer Tipp: Im Kreis Tirschenreuth darf die Außengastronomie schon am Montag öffnen. Doch auch hier lauern Fallstricke: Wer mit dem eigenen Haushalt zecht, braucht eine Terminbuchung. Wer mit Freunden eins trinken gehen will, muss zusätzlich einen aktuellen Test vorzeigen. Bis die Inzidenz unter 35 (!) fällt, dürfen sich laut Innenministerium jedoch maximal fünf Leute aus zwei Haushalten plus Kinder zuprosten. Warum die Außengastronomie allerdings erst ab dem Schwellenwert 100 mit Testpflicht öffnen darf, während diese Testpflicht in Geschäften ab 100 wegfällt, bleibt eines von vielen Rätseln.

Glasklar ist hingegen, warum sich immer weniger Fichtelgebirgler mit dem Virus anstecken: Wer ständig neue Pandemie-Regeln lernen muss, hat keine Zeit für Corona-Partys.

                                                brigitte.gschwendtner@frankenpost.de

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