Wochenend-Kommentar Der soziale Druck wird größer

  Foto: www.tom-hof.de/Thomas Neumann

In Sachen Corona mag es eine Verschnaufpause und einen entspannten (aber nicht mal das ist sicher) Sommer geben. Für sozial Schwache ist das allerdings kaum ein Trost, meint unser Kommentator Alexander Wunner.

 
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Der Krieg Russlands in der Ukraine bringt viele Menschen hierzulande in große Schwierigkeiten. Die Inflation galoppiert, die Preise steigen und steigen. Der Krisenmodus wird zum Dauerzustand. Das Entlastungspaket der Politik reicht nicht.

„Der Spielraum wird immer kleiner.“ Das hat Silke Bergmann von der Sozialen Beratung der Kulmbacher Caritas diese Woche betont und in einem Gespräch mit unserer Zeitung ergänzt: „Wir stellen uns auf eine Welle ein.“ Und Stefan Kronherr, Bezirksleiter beim Diakonischen Werk, weiß: „Wenn kein Geld mehr da ist, gibt es kein Essen, und die Wohnung bleibt kalt.“ Bei den Beratungsstellen steht das Telefon nicht mehr still. Die Inflation treibt die Preise für Lebensmittel und Energie in die Höhe. Selbst das Sterben wird teurer, sodass sich kaum noch jemand eine größere Grabstelle leistet und stattdessen auf eine Feuerbestattung zurückgreift.

Den Sozialverbänden Panikmache vorzuwerfen, greift zu kurz. Richtig ist: Die Rentner kommen ziemlich gut weg. Im Juli gibt es die größte Rentensteigerung seit 30 Jahren. Mehr als fünf Prozent Plus im Westen – da stehen viele Ruheständler besser da als die Lohnempfänger, zumal Rentner keineswegs automatisch zu den Einkommensschwachen zu zählen sind.

Fakt aber ist eben auch, dass der soziale Druck an vielen anderen Stellen enorm steigt. Nicht umsonst hat sich die Kundenzahl bei der Kulmbacher Tafel verdoppelt. Bis zu 600 Menschen aus dem Landkreis holen sich billigere Lebensmittel – und das sind bei weitem nicht nur Flüchtlinge aus der Ukraine.

Weil Geld bekanntlich nicht auf den Bäumen wächst, ist unumgänglich, was Wirtschaftsverbänden die Haare zu Berge stehen lässt: Eine Umverteilung von oben nach unten. Zwar wird in Deutschland schon jetzt jeder dritte Euro für Sozialleistungen ausgegeben, doch das ist gut angelegtes Geld. Denn es garantiert jedem ein Leben in Würde und verhindert soziale Großbaustellen.

Dazu braucht es nicht immer das ganz große Rad (Stichwort Vermögenssteuer). Manchmal reicht eine pfiffige Idee. Am Kulmbacher Bahnhof hat eine Frau dieser Tage erzählt, dass sie zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ihre Tochter besuchen konnte. Das ist erschreckend, es zeigt aber auch: Das Neun-Euro-Ticket gibt tatsächlich Hoffnung.

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redaktion.kulmbach@frankenpost.de

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