Wunsiedel/Hof Wenn die Krise zum Trinken verleitet

Die Experten der Diakonie Hochfranken befürchten vermehrt Alkoholmissbrauch. Sie geben Tipps, wie sich der Griff zur Flasche vermeiden lässt.

 
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Wunsiedel/Hof - Katastrophenfall, das medizinische System im Krisenmodus, Allgemeinverfügung mit Kontaktverbot, Firmenschließungen: Ein ganzes Land steht unter Stress. Auf den Einzelnen kann dies unterschiedliche Wirkung haben. Die Spanne reicht von einem mulmigen Gefühl bis hin zu Angst vor gesundheitlichen oder finanziellen Folgen und der Sorge um Angehörige.

Crystal-Konsumenten geht der "Stoff" aus

Noch können die Experten der Suchtberatung der Diakonie Hochfranken nicht einschätzen, welche Folgen die geschlossenen Grenzen für Crystal-Konsumenten haben, von denen es im Landkreis Wunsiedel verhältnismäßig viele gibt. "Bei der Sucht gibt es immer den Zusammenhang von Konsum und Verfügbarkeit. Und derzeit ist Crystal nunmal nicht verfügbar. Im Idealfall ist das für die Abhängigen eine große Chance", sagt der Leiter der Beratungsstelle, Alexander Höme. Es sei möglich, dass der eine oder andere jetzt einen Impuls verspüre, mit dem Konsum endgültig aufzuhören und seine Einstellung ändere. Höme könnte sich vorstellen, dass viele Süchtige mit viel Bewegung wie Joggen, Fitness oder Fahrradfahren den nicht möglichen Crystal-Konsum kompensieren wollen. "Das ist natürlich die gesündeste und beste Alternative und könnte tatsächlich positive Langzeiteffekte haben."

Zunächst sei allerdings davon auszugehen, dass regelmäßige Konsumenten unter erhöhter Nervosität und Unruhe leiden. "Wir erleben es häufig, dass der Stoff die Abhängigen aggressiv macht. Daher können Menschen auch im Entzug gereizt reagieren." Höme empfiehlt allen, die unter dem Entzug leiden, sich an die Psychologische Beratungsstelle oder die Bezirksklinik in Rehau (Telefonnummer 09283/5990) zu wenden. Im Ernstfall sei eine Einweisung und ärztliche Betreuung in einer speziellen Klinik sicherlich besser, als den Druck zu ertragen.

Wie das unfreiwillige Experiment des flächendeckenden Crystal-Entzugs ausgeht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. M. Bäu.

Für viele Menschen und Familien sind durch die notwendigen Schutzmaßnahmen Tagesroutinen verändert. Neuorientierung stellt laut einer Mitteilung der Diakonie Hochfranken immer eine Herausforderung dar und kann zu Verunsicherung führen. Keiner weiß genau, wann die Krise überwunden ist und welche Langzeitfolgen daraus entstehen "Vor dem Hintergrund dieser Belastungen besteht die Gefahr, dass mancher vermehrt zu einem ,Beruhigungsmittel‘ greift, nämlich Bier oder Wein", befürchtet Alexander Höme von der Diakonie Hochfranken. Alkohol verbessert kurzfristig die Stimmung, löst aber keine Probleme. Das Leben stellt aktuell viele Hürden vor jeden Einzelnen. "Gerade in solchen Situationen brauchen wir einen klaren Kopf", meint Höme. Damit Bier oder Wein ein Genussmittel bleiben, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation für einen Mann eine Obergrenze von 24 Gramm Alkohol pro Tag. Das entspricht etwa einer Flasche Bier oder einem 0,25-Liter-Glas Wein. Für Frauen gilt die Hälfte, also zwölf Gramm. "Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte jeder dieser Obergrenze beherzigen und nach jedem sogenannten Trinkereignis drei alkoholfreie Tage am Stück einlegen", sagt Höme.

Alkoholkonsum über den oben genannten Grenzwerten schwächt das Immunsystem und schädigt auf Dauer die allgemeine körperliche Verfassung. "Wichtig ist daher zu wissen, dass es viele gesunde Möglichkeiten der Stimmungsregulation gibt, um den schnellen Griff zur Flasche zu vermeiden", sagt der Leiter der Psychologischen Beratungsstelle. Dazu zählen soziale Kontakte, die auch außerhalb des Haushalts möglich sind. "Gerade jetzt helfen ein Telefonanruf oder die sozialen Medien. Zweitens gehören dazu: schulische oder berufliche Aufgaben, aber auch Hobbys, Haushalt oder Garten. Auch Lesen hilft, sich zu entspannen. "Und warum sollte man die Zeit der Ausgangsbeschränkungen nicht einfach dazu nutzen, einmal Ordnung daheim schaffen?", fragt Alexander Höme.

Bewegung ist erwiesenermaßen allerdings die wirksamste Stimmungsregulation, daher sind Spaziergänge und Sport an der frischen Luft auch in der derzeitigen Situation ausdrücklich erlaubt. Um das Annspannungsniveau zu senken, empfehlen sich laut Höme immer auch Atem- und Entspannungsübungen sowie Meditationen. red

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Hilfe gibt es beim Team der Suchtberatung in der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie Hochfranken, Telefonnummer 09281/160710200.

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