Wunsiedel Luisenburg als Plattform fürs Musical

Da war die Welt auf der Luisenburg noch in Ordnung. Vergangenes Jahr feierte das Familien-Musical "Madagascar" riesige Erfolge. Foto: Florian Miedl

Das Symposium im September hat der Fachwelt neue Erkenntnisse zum Genre gebracht. Es unterstreicht zudem die Bedeutung der Festspiele.

 
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Wunsiedel - Das Symposium "Perspektiven des Musicals 2020 - Uraufführungen im deutschsprachigen Raum: Eintagsfliegen oder neues Repertoire?" im September auf der Luisenburg (wir berichteten) wird nachwirken und, wie die Festspielleitung mitteilt, die deutsche Musicalszene positiv beeinflussen. Ziel des Symposiums war es, Schreibteams und Produzenten sowohl der öffentlichen Hand als auch der privaten Szene im deutschsprachigen Raum und alle maßgeblichen Player für die Entstehung erstklassiger deutscher Musicals anzuhören und zu vernetzen. "Das sollte im besten Fall zur Beauftragung neuer Werke oder zu Kooperationen führen. Das Symposium hat diese Ziele im Grundsatz erreicht."

"Wir haben viele Anknüpfungspunkte gefunden, die weiterverfolgt werden", sagt Birgit Simmler, die künstlerische Leiterin der Luisenburg-Festspiele, die sich maßgeblich für die Entwicklung des deutschen Musicals einsetzt. "Der intensive Dialog zwischen den Akteuren hat gefruchtet. Wir sind in den drei Tagen unserem Ziel, die Herausforderungen bei der Produktion von Musicals zu identifizieren und Wege zu finden, qualitativ hochwertige deutsche Musicals an die Theater zu bringen, einen Schritt nähergekommen."

Zur Eröffnung im Zuschauerraum des Festspieltheaters grüßten der Schirmherr, Kulturminister Bernd Sibler, per Audiobotschaft und Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz persönlich; Letztere auch, um die Festspiele der Unterstützung der Oberfrankenstiftung zu versichern, die die regionale Stücke-Entwicklung der Festspiele mit 280 000 Euro fördern wird. "Ein wichtiger Beitrag, um die Entwicklung neuer, qualitativ hochwertiger Musicals in großer Besetzung auf der Luisenburg voranzubringen", betonte Birgit Simmler.

Der Musikwissenschaftler Jonas Menze erläuterte im Eröffnungsvortrag die Situation, in der sich das deutsche Musical befinde. Neben den Produktionsbedingungen, Fragen der Rezeption, des Gattungsverständnisses und der Qualitätsverbesserung sei auch interessant, dass keine fundierte Analyse des Musicalpublikums existiere, sagte er.

Damit begann eine Diskussion, die sich in den Tagen des Symposiums noch intensivieren sollte. Die zentralen Begriffe waren schnell gefallen: Synergien durch Kooperationen, mangelnde Stückentwicklung, restriktives Gattungsverständnis (Werkbegriff am Theater) und die Notwendigkeit der Professionalisierung, gerade in den Entstehungsprozessen, sowie die Förderung des Verständnisses für die vielfältigen künstlerischen Ausdrucksweisen der Gattung.

Bei der ersten Showcase - neue uraufgeführte deutsche Musicals in Kurzfassung - waren Produktionen mit viel künstlerischer Prominenz vor Ort, was Qualität und Vielfalt des deutschen Musicals belegte.

Der zweite Tag, an dem die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einem Unternehmen in Bad Alexandersbad zu Gast waren, begann mit einem Rückblick auf die Vorläufer der Luisenburger Symposien 1994 und 2002 durch den Theaterwissenschaftler Wolfgang Jansen. Anschließend wurde die Frage, warum so wenig Musicals nachgespielt oder aufgeführt werden, aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Mit Autoren, Komponisten, Textern stieg man in die Diskussion ein. Gastgeberin Birgit Simmler war als Initiatorin von "Forschung&Entwicklung" bei den Festspielen auf dem Podium. Sie schilderte den neuen Ansatz auf der Luisenburg, Stücke für die Open-air-Bühne und für großes Publikum so zu entwickeln, dass sie wirtschaftlich und künstlerisch die Ansprüche erfüllen können. Die Komponisten und Autoren berichteten anhand konkreter Projekte, wie sie die Aufführungspraxis erleben.

Dann berichteten Dramaturgen über ihre Sicht auf das Musical. Die Debatte gewann an Fahrt mit der Kritik von Christof Wahlefeld aus Bielefeld, der das deutsche Drei-Sparten-System für musicaluntauglich erklärte und damit eine Diskussion in Gang setzte, die von der Forderung nach einer vierten Sparte bis zur besseren Integration in die Strukturen reichte.

Mit Intendanten und Theaterleitern wurde die Qualität der Musicals zum Thema. Jörg Gade, einer der Pioniere des Musicals in deutschen Theatern, forderte eine Qualitätsverbesserung und ein Benchmarking.

Das letzte Wort an diesem Tag hatten die Verleger, die wie kaum einer sonst die Musicalszene beobachten und bewerten. Sie richteten den Focus wieder auf die vorhandenen Stücke und ihre Resonanz in den Theatern. Auf einer Stücke-Börse, auf der neue Stücke auch individuell vorgestellt wurden, informierten sich die 60 Gäste dann über den Stand der aktuellen Produktionen.

Der letzte Tag versammelte alle wieder im Festspieltheater. In einer Intendantenrunde, in der verschiedene Partner die Produktion eines Musicals simulierten, zog man die Konsequenz der Überlegungen des Vortags. Drei Gruppen präsentierten dazu ihre Ergebnisse. Dabei kamen neue Kooperationsmöglichkeiten ebenso ans Licht wie so manche Unvereinbarkeit. Entscheidend war, dass damit der Schritt in die konkrete Umsetzung des Symposiums getan war und eine Perspektive für die Zukunft des deutschen Musicals eröffnet wurde.

Zum Abschluss wurde bereits das dritte Symposium auf der Luisenburg angekündigt. "Die Festspiele in der künstlerischen Verantwortung von Birgit Simmler haben sich damit endgültig als wichtige Plattform für das Musicalschaffen etabliert", heißt es abschließend. "Sie sind gemeinsam mit der Deutschen Musical Akademie federführend bei der Übersetzung unterschiedlicher Interessen in gemeinsames Handeln." red

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Mehr Informationen zu dem Symposium: www.luisenburg-aktuell.de

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