Wunsiedel "O du fröhliche": Ein Trostlied für Arme und Verlassene

"Christ ist erschienen, uns zu versühnen": Szene der Kirchenkrippe, Egerland 19. Jahrhundert, aus der Dauerausstellung des Egerlandmuseums Marktredwitz. Die Sonderschau ist bis zum 2. Februar zu sehen. Foto: kst

"O du fröhliche" erklingt dieser Tage in fast allen Kirchen und so manchem Wohnzimmer. Gedichtet haben es zwei frühe Sozialpädagogen; einer von ihnen stammt aus Wunsiedel.

 
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Wunsiedel - In den Spotify-Charts tauchen Lieder wie "O du fröhliche" eher nicht auf; hier herrschen "Weihnachtslieder" vor wie "All I Want For Christmas Is You" oder "Last Chrismas" (das tatsächlich nicht von Weihnachten, sondern von einer Trennung handelt). Das sind auch die Lieder, die schon Wochen vor dem Fest in Fahrstühlen und Supermärkten rauf und runter dudeln.

Zur Person Heinrich Holzschuher

Johann Heinrich Christoph Holz-
schuher, geboren am 11. Februar 1798 in Wunsiedel, gestorben am 30. Dezember 1847 in Bug, Landkreis Hof.

Seine Vorfahren waren Bergleute in Naila/Landkreis Hof, die ins Fichtelgebirge übersiedelten. Die Eltern lassen sich scheiden, als Heinrich

13 Jahre alt ist und in Wunsiedel die Lateinschule besucht; die Mutter nimmt die beiden jüngsten der vier Geschwister und verlässt die Familie; der Vater, der Bankrott gemacht hat, begeht im gleichen Jahr Selbstmord. Heinrich bleibt mit seinem jüngeren Bruder Karl mittellos bei Verwandten in Wunsiedel zurück. Der Junge bricht die Schule ab und schreibt Artikel für das Wunsiedler Wochenblatt.

Diese Kindheitserlebnisse prägen Holzschuher: Er ist zeitlebens sehr sozial eingestellt, kümmert sich um elternlose und verarmte Kinder und engagiert sich später in "Besserungsanstalten" und in Waisenhäusern in Weimar und Erfurt. In Weimar lernt er den Pädagogen Johann Daniel Falk kennen und arbeitet mit ihm. Soziale Ungerechtigkeit verurteilt er scharf und zeigt immer ein mitfühlendes Herz für Arme.

Da Heinrich Holzschuher aber auch derbe Spottgedichte über angesehene Wunsiedler Bürger verfasst, muss er seine Heimatstadt im Alter von 20 Jahren verlassen. Meinungsverschiedenheiten, vor allem mit Vorgesetzten, prägen auch seinen weiteren Lebens- und Berufsweg, der ihn über Basel und München nach Kulmbach auf die Plassenburg und schließlich nach Neumarkt in der Oberpfalz führt. Durch Fürsprache von Freiherr von Velden kommt Heinrich Holzschuher in den Frankenwald und wirkt als Patrimonialrichter auf den von Dobeneck’schen Gütern in Bug und Brandstein bei Hof. Sechs Jahre übt er dieses Amt aus und stirbt, seit Längerem an Tuberkulose erkrankt, im Alter von 49 Jahren am 30. Dezember 1847. Mit einer Tafel am Haus Breite Straße 3 (Gaststätte "Zur ewigen Baustelle") erinnert die Stadt Wunsiedel an Holzschuher

Am Heiligen Abend aber und an den Feiertagen danach besinnen sich nicht nur die Menschen zu Hause, sondern auch die Radiosender gerne auf die deutschen Klassiker: auf "O Tannenbaum", "Stille Nacht" sowieso, und eben auch auf "O du fröhliche". Letzteres hat, wie vielleicht nicht jedem Fichtelgebirgler bekannt ist, einen durchaus engen Bezug zu Wunsiedel. In der Stadt an der Röslau nämlich wurde 1798 Heinrich Holzschuher geboren, und ihm verdanken die Christen, die das Lied im Weihnachtsgottesdienst anstimmen, die Strophen zwei und drei. Aber der Reihe nach.

Die Melodie dazu stammt aus Italien; sie geht zurück auf ein sizilianisches Fischerlied und wurde später als Marienlied "O Sanctissima, o purissima" vornehmlich bei Wallfahrten gesungen. Der Dichter, Übersetzer, Theologe und Philosoph der Weimarer Klassik Johann Gottfried Herder hatte sie von seiner Italienreise mitgebracht und in seine Volkslieder-Sammlung "Stimmen der Völker in Liedern" aufgenommen.

So lernte der Weimarer Privatgelehrte und Gründer eines "Rettungshauses für verwahrloste Kinder", Johann Daniel Falk, die Melodie kennen und dichtete darauf ein "Allerdreifeiertagslied"; ein Lied also, in dem Weihnachten, Ostern und Pfingsten gleichermaßen besungen wurden und das 1816 veröffentlicht wurde. Falks erste Strophe lautete:

"O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren,

Christ ist geboren:

Freue, freue dich, Christenheit!"

Heinrich Holzschuher - eine schwere Kindheit hinter sich und die Schrecken des napoleonischen Krieges, der 1806 auch im Fürstentum Bayreuth wütete, noch vor Augen - hatte sich zeitlebens der Hilfe von Armen und Verachteten verschrieben. 1823 hospitierte er für zwei Monate bei Falk, der sein großes Vorbild wurde, und lernte auch dessen "Allerdreifeiertagslied" kennen.

1824 kam Holzschuher auf die Plassenburg in Kulmbach, wo er sich in der "Unterrichts- und Lehranstalt für jugendliche Verbrecher" um die jüngeren Häftlinge kümmerte. Im Rückblick auf diese Zeit schrieb er später: "Ich bin ja selbst eins der ärmsten und verlassensten Kinder in Wunsiedel gewesen, ich weiß, wie es tut, wenn nirgends Hilfe, nirgends Rettung zu finden ist."

Für diese "Anstalt" schrieb er ein Stück mit dem Titel "Die Kinder an der Krippe", und dafür dichtete er die Oster- und Pfingststrophen von "O du fröhliche" um. Holzschuher schuf den Text, wie er noch heute - fast 200 Jahre später - gesungen wird. Aus dem "Allerdreifeiertagslied" war ein reiner Weihnachtshymnus geworden mit den weiteren Strophen:

"O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit!

Christ ist erschienen, uns zu versühnen:

Freue, freue dich, o Christenheit!

O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit!

Himmlische Heere jauchzen

Dir Ehre:

Freue, freue dich, o Christenheit!

Und diesen Text kennt man nicht nur im deutschsprachigen Raum. Wie "Stille Nacht" wird das Lied weltweit in zahlreichen Sprachen gesungen.

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