Zeitumstellung Wahrheiten, Halbwahrheiten und Irrtümer rund um die Sommerzeit

Markus Brauer

Am 28. März stellen die Deutschen von Winter auf Sommerzeit um. Wir haben Fakten, Halbwahrheiten und Irrtümer dazu zusammengetragen.

 
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Ende März ist es wieder so weit: Um 2.00 Uhr werden die Uhren um eine Stunde auf 3.00 Uhr vorgestellt. Jeder dritte Deutsche hat Probleme mit den Folgen dieser Umstellung auf den Biorhythmus und seine alltäglichen Gewohnheiten. Foto: Patrick Pleul/dpa

Stuttgart - Millionen Menschen werden an diesem Sonntag früher als sonst aus ihren Träumen gerissen. Denn am 28. März beginnt wieder Sommerzeit. Um 2.00 Uhr werden die Uhren um eine Stunde auf 3.00 Uhr vorgestellt. Jeder Dritte hat Probleme mit den Folgen dieser Umstellung, wie eine Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse in Hamburg (KKH) ergeben hat.

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Frauen (39 Prozent) haben laut Umfrage mehr Probleme als Männer (23 Prozent). Und sogar 47 Prozent aller Familien mit Kindern bis zu zwölf Jahren geben an, dass die Zeitverschiebung besonders dem Nachwuchs zu schaffen macht. Fast jedem vierten Befragten fällt es schwerer, morgens aufzustehen. Jeder Sechste räumt ein, infolge der Zeitumstellung tagsüber gereizt oder müde zu sein.

Doch Sommerzeit ist nicht gleich Sommerzeit. Wir haben Daten, Fakten und Zahlen, Wahrheiten, Halbwahrheiten und Irrtümer zu diesem umstrittenen temporären Phänomen zusammengetragen.

Zeitumstellung wurde schon einmal abgeschafft

Benjamin Franklin erklärte 1784 im „Journal de Paris“, dass das ausgedehnte Nachtleben in der französischen Hauptstadt Unmengen an Energie durch künstliches Licht vergeude. „153 Millionen und 100 000 Stunden, verbrachte in Paris mit Kerzenlicht, das bei einem halben Pfund Wachs und Talg pro Stunde das Gewicht von 64 Millionen und 50 000 Pfund“, rechnete der amerikanische Erfinder und Staatsmann vor. Dagegen helfe früheres Aufstehen und Zubettgehen.

132 Jahre später kam das Deutsche Reich Franklins Forderung als erstes Land nach. Am 30. April 1916 führten die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn kam die Zeitumstellung ein. Die Idee dahinter war wenig honorig: Die Stunde mehr an nutzbaren Tageslicht im Frühjahr und Sommer sollte die energieintensiven „Materialschlachten“ des Ersten Weltkriegs (die Schlacht um Verdun hatte am 21. Februar 196 begonnen) unterstützen. Dadurch versprach sich die Oberste Heeresleitung unter General Erich von Falkenhayn Energieeinsparungen bei der künstlichen Beleuchtung an langen Sommerabenden.

Als Reaktion darauf führten zahlreiche andere europäische Länder einschließlich der Kriegsgegner Großbritannien und Frankreich noch im selben Jahr die Sommerzeit ein. 1919 schaffte Deutschland die ungeliebte Kriegsmaßnahme wieder ab.

Jedes Land hatte seine eigene Zeit

Bis Ende des 19. Jahrhunderts war alles noch so einfach: Jeder Ort seine eigene Zeit, die sich am Stand der Sonne orientierte. In Bayern richtete man sich nach der „Münchener Ortszeit“, in Preußen nach der „Berliner Zeit“ – und so waren die Bajuwaren den Preißn um sieben Minuten voraus.

1940 wurden die Uhren im Deutschen Reich wieder umgestellt und die Sommerzeit ein zweites Mal eingeführt. In Nachkriegszeit herrschte in Deutschland wieder Zeitchaos. Die drei westlichen Besatzungszonen bekamen die Sommerzeit verordnet. In der sowjetischen Besatzungszone und in Berlin galt die Moskauer Zeit, so zwischen Ost- und Westdeutschland eine Zeitlücke von zwei Stunden klaffte.

Zu allem Unglück gab es 1947 bis 1949 daneben noch eine Hochsommerzeit (11. Mai bis 29. Juni) während der die Uhren noch einmal eine Stunde vorgestellt wurden. Begründet wurde dies mit der besseren Ausnutzung des Tageslichts, um die zerstörte Infrastruktur möglichst energiesparend wieder aufzubauen.

1975 beschlossen die meisten Länder der damaligen Europäischen Gemeinschaft die Sommerzeit einzuführen. Nach dem Schock der Ölkrise von 1973 erhoffte man sich auf diese Weise durch längere Ausnutzung des Tageslichts Energie einzusparen. 1978 setzte auch die Bundesrepublik Deutschland diese Regelung um. 1996 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der Europäischen Union vereinheitlicht. Seitdem gilt die Sommerzeit in Deutschland einen Monat länger (letzter Sonntag im März bis letzter Sonntag im Oktober statt September).

Strom sparen? Von wegen!

Doch die Energiesparrechnung ging nicht auf. Laut Bundesumweltamt spart man während der Sommerzeit zwar abends elektrisches Licht, morgens aber wird dafür umso mehr geheizt. 2015 wurden in Deutschland 530,6 Terawattstunden (1 TW = 1 Billion Kilowatt/kWh) Strom verbraucht. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Stromverbrauch pro Kopf lag 2014 bei 1654 Kilowattstunden, kWh. Durch die Umstellung auf die Sommerzeit werden einem Gutachten für den Bundestag zufolge gerade mal 0,21 Prozent Strom im Jahr eingespart.

Tiere sind Gewohnheitswesen. Wenn Katzen eine Stunde früher Fressen bekommen, die Leuchte im Aquarium 60 Minuten früher angeht und Hunde 3600 Sekunden früher Gassi gehen sollen, wird für manches Lebewesen ganz schön eng.

Das gilt auch für Kühe, die es in ihrem Milchproduzenten-Leben nicht leicht haben. Jeden Tag kommt der Bauer zum Melken. Plötzlich ist alles ganz anders und er will eine Stunde früher oder später als sonst den Kühen an die Euter. Die Zeitumstellung bringt den Biorhythmus von Vierbeinern total durcheinander. Rindviecher geben bis zu eine Woche lang weniger Milch als sonst.

Es wird sein wie jedes Jahr. Der Montag nach der Zeitumstellung – in diesem Jahr ist es der 27. März – kracht es auf Deutschlands Straßen öfter als sonst an Montagen. Ganz klar: Die Autofahrer sind alles andere als hellwach und hängen mit Verstand und Gefühl noch eine Stunde.

Diese Vermutung legt die Unfallstatistik nahe. Der Auto Club Europa (ACE) hat in einer Studie (2013) statistisch nachweisen können, dass bis zu 30 Prozent mehr Unfälle in der Woche nach der Zeitumstellung stattfinden. Das durch die einstündige Zeitumstellung „hervorgerufene Schlafdefizit wirkt laut ACE bei zahlreichen Menschen so ähnlich wie ein Jetlag. Derartige Durchhänger gingen nicht selten mit Konzentrationsschwächen einher.“ Im Straßenverkehr können dies fatale Folgen haben, da jeder vierte Unfall in Deutschland auf Sekundenschlaf zurückzuführen sei.

Deshalb empfiehlt der ACE: „Bei ersten Anzeichen von Schlaffheit und Schwindel unbedingt Aktivpausen einlegen. Autofahrer sollten sich an der frischen Luft bewegen, vitaminreiche Nahrung zu sich nehmen. Kein Nickerchen machen.“

Zeit ist gesetzlich festgeschrieben

Am 1. August 1978 trat das Gesetz über die Zeitbestimmung in Kraft. Am 12. Juli 2008 wurde es wieder aufgehoben und in das Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung übertragen.

Dort heißt es in Paragraf 5, Absatz 1: „ Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, zur besseren Ausnutzung der Tageshelligkeit und zur Angleichung der Zeitzählung an diejenige benachbarter Staaten durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für einen Zeitraum zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober die mitteleuropäische Sommerzeit einzuführen.“

Wer sich nicht an die Vorschrift hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann nach Paragraf 10 mit einer Geldbuße bestraft werden.

Im Frühjahr und Sommer läuft der menschliche Organismus zur Höchstform auf. Eine Stunde mehr Tageslicht – das lässt sich was wegschaffen. Aber wie steht es um das Sexleben? „Im Dunkeln ist gut munkeln“, sagt der Volksmund. Laut „Sexreport 2013“ ist der größte Wunsch der Deutschen: mehr Sex! 61 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen hätten gern öfter, länger und fantasievoller Geschlechtsverkehr (GV).

Mit durchschnittlich 139-mal jährlich liegen die Deutschen im oberen Mittelfeld. Weltweit Spitze sind die Griechen mit 164 mal Sex pro Jahr und sind damit die Spitzenreiter (letzter Platz: Japaner mit 48 Akten. Bekanntlich steigt die Geburtenzahl neun Monate nach einem totalen Stromausfall exorbitant an. Demzufolge ist die Sommerzeit für das Sexualleben eher abtörnend.

Auch in Asien und Afrika gibt es in manchen Ländern die Zeitumstellung

38 Prozent aller Staaten auf der Erde haben aktuell Zeitumstellungen. Da die Tageslänge in Nähe des Äquators weniger variiert, stellen die meisten Länder in tropischen Gebieten ihre Uhren nicht um. Die meisten Länder mit Zeitumstellungen befinden sich in Europa:

Afrika: 3 Länder

Asien: 7 Länder

Australien/Pazifik: 5 Länder

Europa: 49 Länder (mit Ausnahme von Irland, Weißrussland und Russland)

Nordamerika: 7 Länder

Südamerika: 3 Länder

73 der insgesamt 193 Staaten der Erde drehen in diesem Jahr wieder an der Uhr. Fast alle befinden sich in den gemäßigten Breiten. Es handelt sich um jene Klimazone auf beiden Erdhalbkugeln, die zwischen den Subtropen im Süden (Jahresmitteltemperatur über 20 Grad Celsius) und der kalten Zone im Norden (wärmster Monat Mitteltemperatur unter zehn Grad Celsius) liegt.

Die mitteleuropäische Sommerzeit beginnt immer am letzten Sonntag im März um 2:00 Uhr MEZ, indem die Uhr um eine von 2:00 Uhr auf 3:00 Uhr vorgestellt wird. Sie endet jeweils am letzten Sonntag im Oktober um 3:00 Uhr MEZ. Die Uhr wird dann um eine Stunde von 3:00 Uhr auf 2:00 Uhr zurückgestellt.

Kompliziert wird es bei Staaten mit mehreren Zeitzonen

Deutschland, Österreich und die Schweiz haben nur eine Zeitzone. Komplizierter wird es in großen Flächenstaaten wie Russland und den USA (elf Zeitzonen). Das Land mit den meisten Zeitzonen weltweit – nämlich zwölf – ist Frankreich. Der europäische Landesteil (France métropolitaine)liegt in derselben Zone wie die restlichen Staaten Mitteleuropas. Hier gilt die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) als Normalzeit und die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ), wenn Sommerzeit befolgt wird. Da allerdings zum französischen Staatsgebiet auch Dutzende außereuropäische Überseegebiete (La France d’Outre-Mer) gehören, hat die Grande Nation einer riesige geografische Spannbreite vorzuweisen. Sie erstreckt sich von UTC -10 Stunden (Französisch-Polynesien) bis UTC +12 Stunden (Wallis und Futuna) erstreckt.

Zur Info: UTC ist die Abkürzung für die Koordinierte Weltzeit („Coordinated Universal Time“. Dieser Zeitstandard ist die Standardgrundlage für die Berechnung in +/- aller Ortszeiten in Zeitzonen weltweit). Zeitzonen-Schlusslicht ist China, wo als einzige Zeitzone die „China Standard Time“ (CST, UTC +8) gilt.

Einer der größten Flickenteppiche in Sachen Zeitzonen ist Australien. Die Bundesstaaten New South Wales, Australian Capital Territory, Victoria, Tasmanien und South Australia halten die Sommerzeit (erster Sonntag im Oktober bis erster Sonntag im April) ein. In South Australia gibt es außerdem eine „Central Summer Time“genannte Sonderzeitzone. Die anderen Bundesstaaten Northern Territory, Queensland und Western Australia haben keine Sommerzeit.

Das Zeitchaos führt dazu, dass an den Schnittpunkten verschiedener Zeitzonen wie Cameron Corner (ein geografischer Punkt im australischen Outback, an dem die Grenzen von Queensland, South Australia und New South Wales aufeinandertreffen) dreimal im Jahr Silvester gefeiert werden kann.

Einen sehr flexiblen Umgang mit der Sommerzeit pflegt man in Ägypten. Das Thema Zeitumstellung ist den vergangenen Jahrzehnten immer zu einem Politikum hochgekocht worden. Vor allem der islamische Fastenmonat Ramadan spielt hierbei eine wichtige Rolle. 2016 wurde der Beginn der Sommerzeit weit in den Hochsommer verschoben. Der Grund: Die Sonne während des Ramadan ging früher unter, so dass gläubige Muslime früher das Fastenbrechen begehen konnten und weniger Stunden mit knurrenden Magen durch die Welt laufen mussten.

In Wladimir Putins Reich herrscht ewiger Winter, was nicht politisch gemeint ist. 2014 wurde in Russland die ewige Sommerzeit abgeschafft und ganzjährig die Winter(normal)zeit wiedereingeführt. Damit endete ein dreijähriges Experiment von Vorgänger Dimitri Medwedjew, der im Frühjahr 2011 zum Ärger vieler Bürger die Dauersommerzeit durchgesetzt hatte, wodurch fortan der Unterschied zum übrigen Europa winters drei und sommers zwei Stunden betrug.

Prominentester Kritiker der Dauersommerzeit-Regelung war der als Langschläfer bekannte Putin. Er erklärte, dass er im Winter noch länger brauche, um in die Gänge zu kommen. Im benachbarten Weißrussland gilt seit 2011 dauerhaft die Sommerzeit. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.zeitumstellung-am-wochenende-so-bereiten-sie-sich-auf-die-sommerzeit-vor.9c68371c-505b-4dca-a92f-418112d38c40.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.schlafstoerungen-ade-die-besten-tipps-fuer-eine-erholsame-nacht.dbf3e3d5-dd16-4534-b5ee-c3b60a5cd620.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.zeitumstellung-winterzeit-stunde-vor-oder-doch-zurueck.05bebe48-c7d2-4a06-bf71-3ae7c0c2c4ab.html