Neben dem Räuchern beziehungsweise dem Weihrauch als Wortherkunft – ursprünglich war auch der Begriff „Rauchnacht“ üblich – gibt es noch eine weitere etymologische Erklärung: Die Bezeichnung könnte auf das mittelhochdeutsche Wort rûch („haarig“) zurückgehen und sich damit beispielsweise auf die felltragenden Dämonen beziehen. Möglich ist auch eine Verknüpfung mit rund um Nutztiere.
Wann beginnen die Raunächte – und wie lange dauern sie?
Das ist abhängig von der Region. In der Regel umfassen die Raunächte zwölf Nächte ab Weihnachten (25. Dezember) bis zum 6. Januar; es handelt sich also um die letzten sechs Nächte des alten Jahres und die ersten sechs des neuen Jahres.
In manchen Gegenden wird die Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember, die längste Nacht des Jahres, zu den Raunächten gezählt. Als besonders wichtig gelten zudem die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, die Silvesternacht am 31. Dezember und die Nacht vor dem Dreikönigstag (6. Dezember).
Welche Bräuche gibt es rund um die Raunächte?
Das Brauchtum unterscheidet sich je nach Region. In manchen Gegenden gilt es als verpönt, zwischen den Jahren Türen zuzuschlagen. Wer es doch tut, muss im nächsten Jahr mit viel Blitz und Donner rechnen, so der Aberglaube.
Im Alpenraum sind sogenannte Perchtenläufe üblich. Sie gehen auf den Glauben zurück, dass in den Raunächten Dämonen Umzüge veranstalten können und sich Menschen, die mit dem Teufel am Werk sind, in Werwölfe verwandeln. Angeblich sind die Raunächte auch besonders geeignet um Orakel zu befragen und Träume zu deuten.
Welche Bedeutung haben die Raunächte in der aktuellen Zeit?
Immer mehr Menschen entdeckten die Raunächte für sich, hat die Religionshistorikerin Claudia Jetter beobachtet. Sie ist Expertin für den Lebenshilfemarkt bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. „Es gibt da Angebote aus ganz verschiedenen Richtungen“, erläutert sie. „Klassisch esoterisch ist etwa das Kartenlegen, um in das neue Jahr zu schauen. Neuheidnische Gruppen arbeiten viel mit Räucherwerk.“
Allein unter der alten Schreibweise #rauhnächte mit „h“ gebe es bei Instagram knapp 100 000 Posts, sagt sie. Die Astrologie greife das Thema ebenso auf wie spirituelle Coaches. „Viele Menschen sind nicht mehr bereit, sich regelmäßig in religiösen oder spirituellen Gemeinschaften zu engagieren“, erläutert Jetter. „Es gibt aber eine hohe Bereitschaft, sich eine Zeit lang zu bestimmten Events spirituellen Praktiken zuzuwenden. Da passt ein solches Datum gut herein.“
Die Psychologin Tanja Köhler aus Denkingen bei Tuttlingen hat ein Buch zu den Raunächten geschrieben und gehört zu denjenigen,die Online-Kurse anbieten – „ganz ohne Esoterik“, wie sie versichert. „Der Zulauf ist gigantisch – kontinuierlich über die letzten Jahre – mit riesigen Sprüngen im letzten, aber auch in diesem Jahr“, sagt sie. Die Teilnehmenden suchten Orientierung und Neujustierung in einer Welt, „die immer schneller, höher, weiter und komplexer wird“. Dabei helfe es ihnen, sich an zwölf Tagen hintereinander mit sich selbst, den eigenen Werten und ihrem Leben zu beschäftigen, um gestärkt ins neue Jahr zu gehen,erläutert die Psychologin.