Eigener Inhalt Einsteigen bitte ...

Wolfgang Plank

Einigermaßen merkwürdig darf man das schon finden. Da rauscht das Auto, wie wir es kennen, auf den größten Crash seiner immerhin schon gut 130 Jahre währenden Geschichte zu - und es ist nicht wirklich ein Aufreger-Thema. Hin und wieder eine Schrecksekunde in Sachen Diesel-Fahrverbot, ab und an ein lapidarer Halbsatz zum möglichen Abschied vom Verbrennungsmotor, ansonsten: Zündung aus und Ruhe. Wie Mobilität in naher Zukunft tatsächlich aussehen könnte, spielte einen kompletten Bundestagswahlkampf lang null Rolle und dürfte auch bei den Koalitionsverhandlungen kein echter Prüfstein werden. Was ist da los, wenn noch nicht mal die Grünen nach einem Tempolimit rufen?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Womöglich ist die Sache einfach zu kompliziert. Schon deshalb, weil es die eine Gesamtmobilität vielleicht gar nicht gibt. Weil wir auf der einen Seite Städte haben, die nicht mehr wissen, wie sie all den massenhaften Verkehr überhaupt noch bewältigen sollen – und außerhalb ganze Regionen, in denen man ein gerüttelt Maß an Rechenkunst, Abenteuerlust und vor allem Zeit aufbringen muss, um mit Bahn oder Bus vom einen Dorf in irgendein anderes zu gelangen. Wenn überhaupt.

Das könnte zu dem Schluss verleiten, dass man bloß das Auto aus der verstopften City zu holen braucht, weil es hier eher das Problem ist, während es auf dem vom ÖPNV entleerten Land durchaus als Lösung taugt, weil man dort ohne fahrbaren Untersatz aufgeschmissen ist. Aber so einfach ist es leider nicht. Weder darf man die Stadtbewohner guten Gewissens ihres individuellen Wunsches nach einem Auto berauben, noch der gerade auf dem Land immer älter werdenden Gesellschaft die Verantwortung aufbürden, sich doch gefälligst selbst um das eigene Fortkommen zu kümmern.

Wie wir – und also verantwortlich: künftige Regierungen – Mobilität organisieren können, wird in der Hauptsache davon abhängen, wie wir Arbeit organisieren. Vor gut 100 Jahren, haben Statistiker ermittelt, verließ dafür gerade einmal jeder zehnte Erwerbstätige seinen Wohnort. Vor 60 Jahren war es immer noch nur jeder Vierte. Und heute? Da finden bereits mehr als 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ihre Arbeit nur mehr jenseits der Gemeindegrenze. Mehr als 18 Millionen Menschen hierzulande pendeln.

Das klingt im Grunde nicht schlecht: hier die Arbeit, dort das Vergnügen. Job in der Stadt, Wohnung oder Haus auf dem Land. Genau das ist auch die Sichtweise diverser Finanzminister, in deren Augen Hinundherfahrer in der City die dicke Kohle einsacken, preiswert im Paradies wohnen – und für diesen Luxus auch noch ihre Steuerschuld gemindert wissen wollen.

Dabei haben die meisten schlicht keine Wahl. Sie fahren einfach nur ihrem Job hinterher. Der nämlich findet sich kaum noch um die Ecke. Womöglich war er da einmal, ist jetzt aber woanders. Eben nicht mehr dort, wo man sich dereinst eingerichtet hatte.

Und also muss sich die Politik die Frage gefallen lassen, ob sie tatenlos immer noch mehr Jobs Richtung Stadt strömen lassen will – und in der Folge immer noch mehr Pendler? Ob sie zusehen mag, wie immer mehr Menschen mit befristeten Verträgen leben müssen, wechselnden Arbeitgebern – oder damit, dass beide Partner berufstätig sind? In unterschiedlichen Kommunen – und keiner am Wohnort? Und ob sie nicht erkennen will, dass die andauernd beschworene Mobilität im Job eben zwangsläufig zu mehr Mobilität auf der Straße führt?

Höchste Zeit also, dieses Land nicht ständig nur zu verwalten, sondern kluge Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Wie grottenschlecht Umwälzungen laufen können, erleben wir seit Jahren bei der sogenannten Energiewende. Panikartig von der Kanzlerin dereinst ausgerufen – und dann ohne Plan und Engagement dem freien Spiel aus Subventionen, Habgier, Bürokratie, Länder-Interessen und Polit-Gerangel preisgegeben.

Was also hat man vor in diesem Land mit den Menschen, den Jobs und den Autos? Wie fahren wir künftig in der Stadt und auf dem Land? Hier mit E-Mobilen, dort mit sauberen Dieseln? Oder doch ganz anders? Wollen wir mehr Schiene, mehr Straße oder mehr Startbahn? Es könnte so spannend sein, wenn in den Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition vor allem FDP und Grüne im besten Sinne darüber streiten, was werden soll in Sachen Verkehr. Und wie.

Am Ende aber wird sich wohl alles wieder nur um Renten und irgendwas mit Zuwanderung drehen.