Eigener Inhalt Kia Stinger: Aufgestachelt

Wolfgang Plank

Das hat man davon, wenn eine Marketing-Strategie aufgeht: Irgendwann war Kia in den Köpfen was mit Tigernase, billig und sieben Jahren Garantie. Doch Eindruck Nummer zwei wollen die Koreaner bewusst vergessen machen. Beim Design ist ihnen das längst gelungen. Auch in Sachen Technik schielen sie - wie die Konzernschwester Hyundai - ganz unverhohlen nach oben.

 
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Und doch fehlte im Portfolio ein richtig geiles Auto. Ein Kia Wow, wenn man so will. Einer, der eben nicht nur im Kopf überzeugt, sondern vor allem im Bauch. Ab 20. Oktober steht er in den Schaufenstern. Nur dass er nicht Wow heißt, sondern Stinger. Übersetzt: Stachel.

Klar wollen die Koreaner das Ding verkaufen. Noch mehr aber wollen sie zeigen, was sie können. Darum sehen sie in dem viertürigen Gran Tourismo so etwas wie die neue Spitze der Marke. Und ein bisschen pieksen soll der Stachel dann schon. Zuvörderst jene, die Weiß-Blau im Logo tragen oder Ringe.

Der Plan könnte aufgehen. Gestreckte Motorhaube, gezogenes Dach. Vorne ist knapp vor dem Rad Schluss, hinten hängt der Stinger lang über. Eine Mischung aus Mustang und Panamera. Stolze 4,83 Meter lang und trotzdem sportlich geduckt. Mit gewaltigen Lufteinlässen, seitlichen Kiemen und dicken Rohren am Ende. Da tritt ein Herausforderer auf.

Und der macht nicht nur auf Show. Satte 370 PS haut das Top-Modell GT aus einem 3,3-Liter-V6
in den Antriebsstrang, schiebt den Stinger in unter fünf Sekunden auf Landstraßen-Tempo, weiter bis 270 – und dank gewaltiger Bremsen geht’s auch schnell wieder zurück. Der etwas martialische Vergleich mit der Boden-Luft-Rakete gleichen Namens kommt da nicht von ungefähr.

Doch Freude am Flottfahren speist sich nicht allein aus Kraft. Und da ist den Koreanern höchst Erbauliches gelungen: steifes Chassis, gute Balance, präzise Lenkung und ein leicht hecklastiger Allrad sorgen für echtes Volant-Vergnügen. Besonders dann, wenn man die stabilisierende Elektronik stufenweise zurückdrängt. Dann jedoch sollte man besser der gelegentlich etwas irritierten Automatik helfend in die Wippen greifen.

Und ja, man kann es im Stinger auch geruhsam haben. Mit ordentlich Platz im Fond, Komfort-Einstellung im Fahrwerk und Blick auf das reduzierte Cockpit samt Acht-Zoll-Touchscreen. Vor allem aber mit der Chance, in die Nähe des Normverbrauchs von 10,6 Litern zu kommen. Man muss schon mit der Gelassenheit eines koreanischen Reisbauern gesegnet sein, um das Triebwerk nicht wenigstens ab und an hochdrehen zu lassen.

Sehr viel leichter fällt Vernunft mit dem Zwei-Liter-Vierzylinder (ab 43 990 Euro), der seine 256 PS achtern anreicht und mit dem Sperrdifferenzial für ein dezent druckvolles Heck sorgt. Dritter im Bunde: ein 2,2-Liter-Diesel mit 200 PS (ab 44 990 Euro), der mit einer getriebenen Achse zu haben ist und für 2000 Euro Aufpreis auch mit deren zwei.

Für den ganz spitzen Stachel ruft Kia 54 900 Euro auf. Das ist nicht wenig – und verglichen mit der Konkurrenz doch ein echtes Angebot. Immerhin haben alle Stinger serienmäßig Acht-Stufen-Automatik, Leder, Sitz- und Lenkradheizung, Navi, Head-up-Display sowie Assistenten, die über Spur, Abstand und Fahrtüchtigkeit wachen – und zur Not auch bremsen. Der GT wartet darüber hinaus noch mit belüfteten Sitzen, Soundsystem, Kurvenlicht, Rundum-Kamera und allerlei mehr auf.

Vor allem letztere ist eine kluge Idee. Rückblickend betrachtet nämlich ist die Welt im Stinger doch sehr verengt. Schickes Design fordert halt Opfer. Das gilt auch für das Gepäckfach. Nur knapp über 400 Liter passen an Bord, bei umgeklappten Rücklehnen sind es gut 1100. Egal. Wenn der Stinger eins nicht sein soll – dann vernünftig.