Eigener Inhalt Porsche 911: Der Tröpfchen-Weise

Wolfgang Plank

Wahrscheinlich arbeitet die Zeit gegen sie - aber am liebsten bauen sie in Zuffenhausen immer noch Autos, deren wichtigste Entscheider nicht in kleinen Kästchen sitzen, sondern hinter dem Lenkrad. Geholfen wird selbstverständlich gerne - und gerne auf allerhöchstem Niveau -, aber: "Lass fahren dahin" wird wohl nie die Devise derer werden, die im Zeichen des Rössle tüfteln.

 
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Überhaupt sind sie dort der Auffassung, autonomes Fahren leide an einem grundsätzlichen Mangel. Mögen Karten und GPS-Daten noch so genau sein, Kameras und Laser noch so scharfsichtig, Sensoren und Steuergeräte noch so sensibel – am Ende ist ohne Kenntnis des Reibwerts alles nichts. Zumindest nichts, was man bei Porsche für akzeptabel hielte.

Und in der Tat macht es ja einen gewaltigen Unterschied, ob man auf trockener Straße dahindüst – oder bei feuchter Fahrbahn, womöglich gar bei Nässe, Schnee oder Eis. Die entscheidende Frage: Wie griffig oder glatt ist es wirklich? Weiß der Automat das nicht, wird er notgedrungen so rechnen wie der vorsichtigste aller vorsichtigen Lenker – und im Regelfall ein Hindernis sein.

Dabei ist die Sache ganz einfach. Jedenfalls aus technischer Sicht. Man fährt exakt bis zum Limit, und regelt über den Schlupf am Rad einen Hauch zurück. Alles eine Frage der Sensorik. Geht mittlerweile spielend ein paar hundert Mal pro Sekunde und ist im Grunde nichts, was einen Entwickler bei Porsche noch irgendwie beeindrucken könnte.

Der entscheidende Punkt ist ein ganz anderer: Wie erkennt man den Grad der Nässe auf dem Asphalt? Der traditionelle Regensensor scheidet aus. Schließlich könnte auf der Straße Wasser stehen, obwohl der Gewitterguss längst aufgehört hat. Oder sich bei fast trockener Fahrbahn in heimtückischen Pfützen sammeln. Und ein paar Tropfen Scheibenwaschwasser vom Vordermann sind eben noch kein glatter Belag.

Die Lösung kann man ab Ende Januar im 911er erleben. Eine Weltneuheit, die sich "Wet-Mode" nennt. Herzstück ist eine Art Trommelfell in den vorderen Radkästen. Genauer: eine Membran mit Piezo-Elektronik. In der Lage aufgewirbeltes Spritzwasser zu erkennen – vor allem aber sensibel genug, es vom Geräusch von Sandkörnchen, Split oder Eiskristallen zu unterscheiden. Der neue 911er fühlt nicht, wie nass es ist – er hört es und geht klug damit um. Man könnte auch sagen: Er ist der Tröpfchen-Weise.

Die Reaktion geht blitzschnell durchs ganze Auto. Für ABS, und Schlupf-Regelung herrscht erhöhte Alarmbereitschaft, bei Allrad-Modellen zusätzlich für die Kraftverteilung an die Vorderachse. Zudem gibt’s eine Warnmeldung ins Cockpit, tunlichst in den "Wet-Mode" zu wechseln.

Und das ist erst der Anfang. Künftige Systeme könnten zum Beispiel noch die Reifentemperatur mit einbeziehen, schwärmen sie in Zuffenhausen. Derzeit wird die noch indirekt über den Druck gemessen – und ist nach Porsche-Maßstäben ungefähr so verlässlich wie eine Wette auf den VfB Stuttgart.

So könne bei langsamer Kurzstrecke die Lauffläche kalt sein oder nach einem Kavalierstart heiß – ohne dass der Druck sich spürbar ändert. Verlässlich sei eine solche Berechnung derzeit allenfalls, wenn Reifen und Innenluft komplett durchgeheizt sind.

Ein warmer Reifen hält nun mal deutlich besser als ein kalter. Im Rennsport gilt die optimale Gummi-Temperatur nicht ohne Grund als Wissenschaft. Und wo, wenn nicht bei Porsche, sollten sie sich damit auskennen?