Eigener Inhalt Sachsen im Winter: Magische Orte erleben

Wer meint, Sachsens Schlösser wären nur im Sommer Kultur-Idyllen für Lustwandler, irrt. Auch im Winter kann ein Besuch in Moritzburg romantisch sein; wenn man das Auto im Elbtal stehen lässt

 
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Was für ein Anblick! Das Jagdschloss August des Starken, das sich mit seinen vier markanten Ecktürmen aus dem Schlossteich erhebt, ist ein Schmuckstück des sächsischen Barock. Hundertausendfach wird es jedes Jahr besucht und fotografiert. Dennoch können sich viele an ihm einfach nicht sattsehen. Moritzburg ist ein geradezu magischer Ort vor den Toren Dresdens – im Sommer wie im Winter. Möchten Sie wissen, warum? Dann müssen Sie das Auto stehen lassen. Nicht erst auf dem Parkplatz unmittelbar vor dem Südportal, wohin sich über die Moritzburger Schlossallee donnern lässt. Sondern unten im Elbtal, in Radebeul.
Hinweise für Ihre Reise
FAHRPLAN: Zu empfehlen ist der Zug Radebeul-
Ost ab 10.21 Uhr, Rückfahrt ab Moritzburg
16.07 oder 18.03 Uhr.
Den Fahrplan erhalten Sie unter www.loessnitzgrundbahn.de.
ÖFFNUNGSZEITEN: Das Fasanenschlösschen ist ab 1. Mai bis 31. Oktober geöffnet. Das Wildgehege ist ab 1. März täglich 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Schloss Moritzburg ist ab 18. März Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr und ab 1. April täglich 10 bis 18 Uhr geöffnet www.schloss-moritzburg.de.

Wer etwas von der Magie dieses Ortes spüren möchte, nimmt den Zug. Keinen gewöhnlichen freilich, sondern die historische Schmalspurbahn, die von Radebeul über Moritzburg bis nach Radeburg dampft. Die Lößnitz heißt der Landstrich um Radebeul – mit seinen markanten Weinbergen, Weingütern und Weinstuben. Der Bismarck-Turm oder das Spitzhaus sind weithin sichtbare Landmarken der Elbhänge, an denen sich unten die Villen Radebeuls ins Elbtal schmiegen.

Der Bahnhof Radebeul-Ost ist praktischer Ausgangspunkt unserer kleinen Wander-Reise nach Moritzburg. Station auch für die Züge der 750-Millimeter-Schmalspurbahn. Wer aus Dresden mit der S-Bahn anreist, steigt einfach um. Wer mit dem Auto oder der Straßenbahnlinie 4 kommt, kann auch am "Weißen Ross" einsteigen – Haltepunkt mit kleiner Tourist-Info und Fahrkartenverkauf. Von hier an dampft der "Lößnitzdackel", wie Einheimische den Zug nennen, durch den Lößnitzgrund nach oben. Das enge, verschlungene Tal hat der kleinen Eisenbahn ihren Namen gegeben. Sie wird von der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft betrieben, zählt rund 260 000 Fahrgäste im
Jahr und ist ein Kulturdenkmal.

Nach rund sechs Kilometern Fahrt hat der Zug das Elbtal hinter sich gelassen. Friedewald und Dippelsdorf sind die ersten beiden Dörfer auf dem Hochland. Dann geht es auf einem schnurgeraden Damm über den Dippelsdorfer Deich bis nach Moritzburg. Am hübschen Bahnhof – mit Gaststätte und Fahrkartenverkauf – könnten wir aussteigen und die gut anderthalb Kilometer durch den Ort zum Schloss laufen. Dort wollen wir schließlich hin. Wir tun es nicht. Denn ein Jagdschloss, auch ein barockes, muss man durch Wald und Flur erwandern. Deshalb fahren wir weiter – bis nach Bärnsdorf. Das freilich geht nur mit Zügen, die bis Radeburg dampfen. Gleich hinter dem kleinen Haltepunkt beginnt der Wanderweg zum Teichhaus. Den nehmen wir. Er führt uns rund um den Großen Teich – im Februar eine raue, manchmal winterliche Landschaft, mit verschneiten Wiesen, Wäldern und kahlen Bäumen.

Von Weitem sehen wir bereits einen Leuchtturm auf einer kleinen Mole. Ein Leuchtturm in Sachsen? Das schauen wir uns doch mal an! Hier beginnt nämlich das Kultur-Erlebnis Moritzburg. Dazu biegen wir nach rund anderthalb Kilometern in Richtung Fasanenschlösschen ab – dem ersten Höhepunkt unserer Wanderung. 1728 ließ August der Starke den Grundstein legen, heute gilt es als letztes, original erhaltenes Bauwerk des Dresdner Rokoko. Noch immer beherbergt es zahlreiche Kunstwerke. Geöffnet hat das schmucke Schlösschen, in dem August rauschende Feste gefeiert haben soll, leider nur von Mai bis Oktober – aus konservatorischen Gründen. Dafür gibt es auch im Winter eine Fasanerie. Schon der legendäre Kurfürst ließ hier Fasanen für die höfische Jagd-Tafel großziehen, bis die Anlage im Siebenjährigen Krieg schließlich verwüstet wurde.

Vom Fasanenschlösschen aus betrachtet, an dem es im Sommer ein kleines Gartencafé und einen Museumsladen gibt, sieht der rote Leuchtturm im See aus wie eine Hafeneinfahrt am Meer. Was für eine Kulisse! Wir laufen hinunter zur Mole, an den Fuß des imposanten Bauwerks. Einst verlustierte sich die höfische Gesellschaft mit der Inszenierung von Seeschlachten und bei Gondelfahrten über den "Großteich". Dafür wurde extra ein Bootsanleger gebaut. Heute steht der Leuchtturm etwas verloren in der Landschaft, lässt aber erahnen, welch barockes Spektakel sich hier einst abgespielt haben muss. Auch im Winter hat das Ensemble seinen Reiz – Frost und Schnee versehen die barocken Gartenanlagen und Skulpturen zauberhaft mit weißer Patina.

Nur fünf Minuten sind es von hier aus bis zur "Churfürstlichen Waldschänke", einem Hotel, in dem sich Wanderer in den Wintermonaten mit Grog oder Glühwein aufwärmen können. Die Rast ist unbedingt zu empfehlen, denn erst nach dem Schlossbesuch haben wir Zeit für Kuchen und Kaffee. Wir wählen nach Moritzburg nicht die Fahrstraße, sondern den Weg entlang des schnurgerade angelegten Kanals. Noch können wir das Schloss nicht sehen, aber irgendwann taucht es hinter einem Hügel auf, und wir finden uns plötzlich inmitten einer gigantischen Sichtachse, die Schloss Moritzburg und das Fasanenschlösschen verbinden. Das ist die Stelle, von der aus sich Moritzburg so fotografieren lässt, wie es die Romantiker des 19. Jahrhunderts wohl gemalt hätten: umrahmt von hohen Bäumen, hinter einem See.

Wenn wir genügend Zeit haben, können wir einen Abstecher zum nahe gelegenen Wildgehege machen. Bereits 1580 wurde es als "Jagdgatter" errichtet, um den Kurfürsten stets frisches Wildbret auftischen zu können. Interessant ist die Anlage heute vor allem wegen ihres rund zwei Hektar großen Wolfsgeheges. Wir folgen der Sichtachse weiter zum Schlossteich, den wir – je nach Lust und Laune – ganz oder teilweise umrunden können. Von hier aus bietet sich sozusagen der Rundum-Blick auf das Schloss. Sinnvoll ist es, Richtung Nordeingang zu wandern. Dort können wir auch einen Blick auf die Reste des noch von August dem Starken geplanten, aber nie vollendeten Schlossparks werfen. Er soll nun schrittweise nach Plänen aus dem Jahr 1740 rekonstruiert werden.

Nun geht es endlich die breite Rampe hinauf zum Schloss und hinein in das fürstliche Jagdvergnügen. Die faszinierende Dauerausstellung zeigt die prachtvolle Kulisse königlicher Lustbarkeiten. Höhepunkt ist – neben dem historischen Stein- und Speisesaal – das Federzimmer mit seinen einzigartigen Wandverzierungen aus Federn. Liebhaber des "Aschenbrödel"-Kults müssen sich aber bis nächsten Winter gedulden. Die Sonderausstellung "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" geht morgen zu Ende. Ein bisschen Zeit einplanen sollten wir schon für das imposante Schloss – ehe es dann durch das Südportal zur Schlossallee geht. Hier finden sich eine Reihe kleiner Gaststätten und Cafés zum Einkehren. Neben sächsischer Eierschecke gibt es überall regionale Spezialitäten.

Trotz aller süßer Verführung: Eine halbe Stunde Zeit kostet der Weg bis zum Bahnhof Moritzburg. Wo der Dampfzug wartet, um uns durch die verschneite Winterlandschaft wieder hinab ins Elbtal zu bringen. Der Lößnitzgrund ist dabei wie eine Zeitschneise. Unten, wo die Fernzüge durchs Tal rauschen und das nahe Dresden pulsiert, erscheint uns unsere kleine Reise wie ein magischer Ausflug ins sächsische Barock.



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