Veranstaltungstipps Francis Rossi von Status Quo: "Ich bin immer noch ein Großmaul"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: Ross Woodhall

Status Quo sind die Erfinder des Boogie-Rock und sorgen auch nach über fünf Jahrzehnten noch für überfüllte Konzerthallen. Wir sprachen mit Bandgründer Francis Rossi.

 
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Mr. Rossi, Sie schreiben in Ihrer Autobiografie sehr freizügig über Ihre amourösen Abenteuer. Warum sind Sie so grundehrlich?
Mir wahr gar nicht bewusst, dass mein Buch grundehrlich ist. Ich dachte, es wäre nur ehrlich. Andere würden es vielleicht als sachlich bezeichnen. Ich musste zum Beispiel über meine Kokain-Phase schreiben, weil es genug Leute gibt, die darüber Bescheid wissen. Mein Leben ist ohnehin ziemlich gut dokumentiert. Ich kann eigentlich gar nichts verschweigen, das wäre Bullshit! Showbusiness ist etwas Irreales, es ist Bullshit, aber ich wollte über die Realität schreiben.

Ihre Mutter litt unter religiösem Wahn. Wie kam es dazu?
Daran ist ihre Schwester Schuld. Sie hatte meiner Mutter eingeredet, dass die Beziehung mit meiner Vater falsch sei. Ich hatte kein Problem damit, darüber zu schreiben, weil ich mir sicher bin, dass ähnliche Dinge in jeder Familie passieren. Vielleicht kann sich ja der ein oder andere Leser mit mir identifizieren. Das Showbusiness ist nämlich gar nicht so verschieden vom normalen Leben. Davon abgesehen, dass wir Showleute Platten aufnehmen oder Filme drehen, sind wir eigentlich ganz normale Menschen. Vielleicht sind wir sogar ein bisschen unsicherer als andere Leute.

Was haben Sie von Ihrer Mutter?
Früher dachte ich immer, ich hätte das Musik-Gen von meiner Mutter geerbt, aber heute glaube ich, es stammt von meinem Vater. Mutter hat ein bisschen Klavier gespielt, aber immer, wenn mein Vater Musik hörte, veränderte er sich irgendwie. Je besser er die Musik fand, desto mehr körperliche Schmerzen empfand er. Er war sehr, sehr empfindsam. Ich fühle Musik ähnlich wie er.

Ist es wirklich wahr, dass Sie in Ihrem Leben nur eine einzige Stunde Gitarrenunterricht hatten?
Ja, weil mein Lehrer ein Schmock war. Er konnte seine Schüler einfach nicht motivieren. Er hat mich zugemacht, indem er mich dauernd kritisierte: „Du hältst das Plektrum falsch! Du hältst die Gitarre falsch!“ Seitdem habe ich eine Abneigung gegen Lehrer.

Wenn Sie als 16-Jähriger mit Ihrer ersten Band The Spectres auf Tour waren, schliefen Sie in Telefonzellen und öffentlichen Toiletten. Waren Sie zu allem bereit?
Das hört sich vielleicht so an, wenn ich heute darüber schreibe, aber es gab damals auch andere Teenager, die in Telefonzellen, Klos oder auf Parkbänken schliefen. Wir haben das nicht getan, weil unser Leben so hart war, sondern weil das in den 1960ern noch nicht so gefährlich war wie heute. Ich wurde damals aus meiner Wohnung geworfen, weil ich Damenbesuch hatte. Rick hat dann seine Bude meiner Frau überlassen. Immer wenn er aufgestanden ist, konnten wir uns hinlegen.

Beim ersten Gig mit Rick Parfitt stöpselten Sie dessen Gitarre aus. Warum?
Weil er die Songs nicht gelernt hatte. Typisch Ricky! Er sagte immer: „Es wird schon irgendwie klappen!“ Tat es aber nicht immer. Ich wollte, dass er in der Band bleibt, die anderen wollten ihn wegen seiner Faulheit entlassen. Ich konnte ihn gut leiden, weil wir prima miteinander auskamen. Er stand mir deutlich näher als die anderen in der Band.

Rick Parfitt lebte ein Rockstar-Leben mit allen Konsequenzen. Konnten Sie ihn nicht davon abbringen?
Nein, weil er fest daran glaubte. Er sah aus wie der archetypische Rockstar, aber in Wirklichkeit war er gar nicht so. Er hat sein Leben lang eine Show gespielt für die Leute um ihn herum. Die erwarteten, dass er sich so aufführte. Deshalb stand er mächtig unter Druck. Ricky endete als Karikatur seiner selbst. Und das alles wegen diesem Rock-Bullshit-Ding. Als wir jung waren, fühlte sich das noch natürlich an, aber mit der Zeit wurde es peinlich.

Hat Rick Parfitts hedonistischer Lebensstil ihn umgebracht?
Ja. Wäre er nicht dem Rock’n‚Roll-Lifestyle-Bullshit verfallen gewesen, wäre er heute sicher ein gesunder Mann. Vor dem tragischen Tod seiner kleinen Tochter war er noch kein schwerer Trinker. Aber den Rest gab ihm diese Frau, der er in Atlanta über den Weg lief. Der wahre Ricky jedoch war ein phantastischer Kerl! Leider war er wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Wie lange waren Sie kokainabhängig?
Acht oder neun Jahre. Ich würde aber nicht sagen, dass ich von dem Zeug abhängig war. Ich habe es mir nur die ganze Zeit reingezogen, konnte davon aber relativ leicht wieder loskommen, indem ich mir sagte: „Ich höre lieber heute damit auf als morgen!“

Sie schreiben, dass Sie an manche Ereignisse in Ihrem Leben nur nebulöse Erinnerungen haben. Mit welcher Methode haben Sie sich zurückerinnert?
Ich kann mich eigentlich an fast alles erinnern. Die Leute denken immer, Drogen würden deine Erinnerungen auslöschen. Das ist nicht wahr. Nichts löscht deine Erinnerungen gründlicher aus als Alkohol. Eine legale Droge, die fast überall auf der Welt akzeptiert wird. Alkohol ist aber nicht okay.

Wissen Sie noch genau, welche Ihrer größten Hits Sie auf Droge geschrieben haben?
Ja. Soll ich die jetzt alle auflisten? Ich glaube, es sind derer einfach zu viele. In den späten 1970ern haben wir auch versucht, unter Haschisch zu schreiben. Ich gehöre aber nicht zu denen, die glauben, dass man auf Droge zu besseren Ergebnissen kommt. Die größte Scheiße kommt dabei heraus, wenn man betrunken ist. Besoffen habe ich immer nur Müll produziert.

Was ist heute Ihre Kreativdroge?
Ich habe keine. Ich übe und spiele jeden Tag.

Wie viel Geld haben Sie für Drogen ausgegeben?
Ich weiß es nicht. Ein Journalist meinte, es seien wohl anderthalb Millionen Pfund allein für Kokain gewesen. Das würde aber eine riesige Menge Koks bedeuten! Ich glaube, die Presse übertreibt da ein bisschen. Es war aber trotzdem eine Menge Geld. Das Geld war jedoch nicht das Problem, sondern die Drogen. Sie verändern deine Persönlichkeit, insbesondere Kokain.

Wie kamen Sie zum Kokain?
Durch Alkohol. Wenn ich damals nicht so viel getrunken hätte, hätte ich wahrscheinlich niemals Koks ausprobiert. Man sagt immer, Marihuana sei eine Einstiegsdroge. In meinem Fall stimmt das nicht. Man kann viel mehr Alkohol vertragen, wenn man gleichzeitig kokst. Und umgekehrt. Die eine Droge füttert die andere. Haschisch und Alkohol hingegen passen nicht gut zueinander, denn dann muss man sich übergeben.

1984 waren Sie ein „von Koks benebelter, mit Tequila abgefüllter, Mandrax einwerfender und kiffender Klugscheißer“, beichten Sie in Ihrer Autobiografie. Wer sind Sie heute?
Wahrscheinlich immer noch ein Klugscheißer, aber einer ohne Abhängigkeiten. Mandrax habe ich aber nicht in den 1970ern genommen, das war in den 1960ern. Dieses Zeug war damals legal. Man konnte da ganz leicht rankommen. Aber wer bin ich heute? Ich bin immer noch ein Großmaul, ich rede zu viel. Ich bedauere ein paar Dinge aus meiner Vergangenheit. Aber ohne meine Vergangenheit wäre ich nicht der, der ich heute bin. Bin ich heute ein besserer Mensch? Aber die Frage ist: Was ist ein besserer bzw. schlechter Mensch? Auf jeden Fall bin ich froh, noch am Leben zu sein.

Ihren ersten Hit „Pictures Of Matchstick Men“ schrieben Sie 1968 auf dem Klo, weil Sie mit Ihrer Kleinfamilie nur ein einziges Zimmer bewohnten. Brauchen Sie ungewöhnliche Orte und Umstände, um kreativ zu sein?
Begonnen habe ich den Song im Wohnzimmer meiner Schwiegermutter, aber als diese zusammen mit meiner Frau nach Hause kam, habe ich mich aufs Klo verzogen, um den Song dort fertig zu schreiben. Viele Leute lesen auf der Toilette, weil man dort ganz privat ist.

Wo haben Sie die Songs auf Ihrem neuen Soloalbum „We Talk Too Much“ geschrieben?
In dem Raum, in dem ich gerade sitze. Auch das Buch habe ich hier geschrieben. Als meine Kinder noch kleiner waren, haben sie hier immer Musik gehört. Wir haben hier auch schon aufgenommen. Hier hängen keine Goldenen Schallplatten an der Wand, die sind oben, wo sie niemand sieht. Mir ist es unangenehm, zuhause zu zeigen, was ich so alles geschafft haben. Hier hängen eigentlich nur Fotos von meinen Kindern an der Wand und kein einziges von mir.

Wie war Ihre erste Deutschlandtournee im Jahr 1969, die Sie zusammen mit den Small Faces spielten?
Ich erinnere das nicht mehr so genau. Es war die Zeit nach unserem ersten Hit „Pictures Of Matchstick Men“. Ich kannte die Small Faces über meinen Vater, weil sie sich als Kids bei ihm immer Eis gekauft haben. So habe ich Ronnie Lane, Steve Marriott und Kenny Jones kennengelernt. Steve gab mir den ersten Joint meines Lebens.

Was bedeutete es Ende der 1960er Jahre, langhaarig zu sein?
Manchen älteren Leuten machten Langhaarige Angst. Sie galten als schmutzige und gewalttätige Wilde. Heute erinnert mich die junge männliche Generation an altertümliche britische Könige. Alle meine Söhne tragen Bärte, bis auf meinen Ältesten. Sehr merkwürdig! Wir trugen damals lange Haare und galten als Rebellen.

Waren Sie wirklich ein Rebell?
Ein bisschen schon, ja. Aber ich war nicht gegen das System. Ich war eher rebellisch, indem ich anders aussehen wollte. Zuerst wollte ich Mod sein und die entsprechende Mode tragen. Und dann ließ ich mir die Haare wachsen und fing an, in einer Rock’n‚Roll-Band zu spielen. Aber ich war auch in den 1980ern rebellisch, indem ich Anzüge trug. Auch heute fühle ich mich wieder rebellisch mit Hemd, Schlips und Weste. Ich fühlte mich sogar rebellisch, als ich mir meinen Pferdeschwanz abschneiden ließ.

Haben Sie sich damals die Haare wachsen lassen, weil Sie Mädchen beeindrucken wollten?
Nein, ich habe das getan, weil es damals in Mode war. Jeder hatte Ende der 1960er lange Haare. Nach einer Weile war das überhaupt nichts Besonderes mehr.

Wie muss man sich die wahren, echten Groupies in den frühen 1970er Jahren vorstellen?
Einige Groupies kannten wir sehr gut. In England gab es eine Clique, die immer mit uns mitreiste. Nach einer Tour haben wir die Mädchen irgendwo rausgelassen, wo sie dann von Amen Corner aufgelesen wurden. Anschließend sind sie mit The Move mitgereist. Wir haben die Groupies wirklich als Menschen kennengelernt und sie uns. Es ging dabei nicht immer nur um Sex. Man wollte einfach nur miteinander abhängen. Es ist ja auch nicht so, dass nur Groupies und Rockstars guten Sex haben. Gehen Sie mal an einem Freitag in einen x-beliebigen Club. Dort erwarten Sie Sex, Drugs und Rock’n‚Roll. Die 1960er waren aber viel wilder als heute, weil damals die Antibabypille aufkam. Viele Frauen fühlten sich dadurch sehr frei. Sie mussten keine Angst mehr haben, bei einem One-Night-Stand schwanger zu werden.

Wie sind die Groupies von heute?
Keine Ahnung, ich habe seit Jahrzehnten keine mehr gesehen! Heutzutage gibt es bei uns per se keinen Sex mit Groupies mehr. Heute trifft man eher auf Fans.

Am 29. Mai 2019 werden Sie 70 Jahre alt. Sind Sie mit sich, der Welt und Status Quo im Reinen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich strebe noch immer nach mehr Erfolg. Ich werde noch immer wütend über die Politiker und die Weltläufe. Manches, was in der Band passiert, macht mich entweder wütend oder glücklich. Ich bin nicht im Reinen mit mir selbst, sonst würde ich nicht so viel reden. In meinem Kopf spielt sich dauernd ein Konflikt ab. Das hat sowohl etwas mit meinem Sternzeichen Zwilling zu tun als auch mit der heutigen Zeit, in der alles relativiert wird.

Status Quo auf Tour

Die britische Hard-Rock-Band geht auf Tour und gibt am 23. Juli um 20 Uhr ein Konzert auf Schloss Eyrichshof bei Ebern. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.