Veranstaltungstipps Heino: "Irgendwann muss Schluss sein"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: PR

Heino hat mehr als 1000 Lieder aufgenommen und über 50 Millionen Tonträger verkauft. Jetzt geht der 80-Jährige auf Abschiedstournee. Wir haben mit ihm gesprochen.

 
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Heino, Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie sich maximal wie 60 fühlen. Warum wird es für Sie dennoch Zeit für den Ruhestand?
Wenn man seit 60 Jahren auf der Bühne steht, muss irgendwann Schluss sein. Es ist immer das Problem, was singe ich auf einer Tournee, was ich noch nicht gesungen habe. Ich habe schon so viele Tourneen gemacht und dabei fast immer das gleiche gesungen, weil das verlangt wird. 2013 bei der Rockgeschichte hatte ich aber ein ganz anderes Publikum. Ich konnte innerhalb von kürzester Zeit mein Publikum um 40 Jahre verjüngen. Ich weiß aber nicht, ob das der richtige Weg ist. Unten stehen junge Leute und auf der Bühne steht ein älterer Herr! Ich frage mich, ob ich denen das zumuten kann. Obwohl ich mich ja fit fühle.

Auch zu Udo Lindenberg kommen viele junge Menschen.
Der ist immerhin erst 72, das sind acht Jahre Unterschied. In der Zeit kann viel passieren. Ich fühle mich ja noch fit und habe das jetzt mal ins Auge gefasst. Deswegen habe ich auch vier CDs gemacht. Irgendwann möchte ich dann doch mal ein bisschen mehr Ruhe haben.

Wolfgang Petry hat für Sie den Song „Ich atme“ geschrieben, den er auch zusammen mit Ihnen singt. Ist die Zeile „Ich singe meine Lieder und lande auf dem Schaffott“ auf Sie gemünzt?
Darüber habe ich mich auch gewundert. Ich war in seinem Musical. Das gefiel mir so gut, dass ich ihn spontan anrief und fragte, ob er sich vorstellen könne, auf meinem letzten Album mit mir einen Titel zu singen. Er sagte: „Das mache ich gerne. Du bist Kult, ich bin Kult.“ Und dann haben wir den Titel zusammen gesungen. Wäre ich 30 Jahre jünger, hätte ich mir das mit dem Schafott, dem Lügen und Betrügen mehr überlegt. Das sind Zeilen, die passen ja zu ihm. Wolfgang und ich sprechen zwar die gleiche Sprache, aber ich hätte solch ein Vokabular früher nicht benutzt. Aber jetzt bin ich in einem Alter, wo ich mir sage, dass das ganz in Ordnung ist. Man darf das alles nicht so eng sehen.

Von der Punkband Die Toten Hosen haben Sie jetzt den Hit „Tage wie diese“ gecovert. Ist das als Seitenhieb auf Campino zu verstehen, der über Ihr Rockalbum „Mit freundlichen Grüßen“ lästerte?
Ich bin ja ein paar Jahre älter als Campino. Und wenn man älter ist, ist man auch ein bisschen weiser. Ich finde den Titel toll. Er stammt ja aus meiner Heimat. Da sind so viele Stellen drin, die mich an Düsseldorf erinnern. Deswegen habe ich mir gesagt, auch diesen Hit von den Toten Hosen möchte ich singen. Da bin ich ganz entspannt.

Können Sie mit Punk etwas anfangen?
Das ist für mich eine andere Welt. Man darf nicht vergessen, die Toten Hosen hießen ja früher nicht so, sondern die Roten Rosen. Und da hatten sie keinen Erfolg. Deswegen haben sie schnell umgeschaltet und Krawall gemacht. Aber das ist deren Problem. Sie haben volle Häuser, das gönne ich ihnen auch. (Anm.d.Red.: Die Toten Hosen brachten 1987 ein Coveralbum mit verrockten Schlagern unter dem Pseudonym „Die Roten Rosen“ heraus. Es war der erste Charterfolg für die Band)

Für die amerkanische Band Dead Kennedys war es in den frühen 80er Jahren eine großartige Punk-Sabotage, vor ihren Konzerten Heino-Stücke zu spielen. Wussten Sie davon?
Das ist mir bekannt, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, mir das mal anzuschauen oder anzuhören. Ich war viel in Amerika, u.a. in Las Vegas. Ich habe sogar Tourneen in Amerika gemacht. Aber leider habe ich noch nicht den Weg zu den Dead Kennedys gefunden.

Sie haben auch diesmal wieder einen Song von Rammstein gecovert. Was reizt Sie an beinharter Musik?
Ich finde Rockmusik gut, weil ich mit meinem Album von 2013 so viel Erfolg hatte. Dann habe ich gemerkt, dass sich mein Publikum innerhalb kürzester Zeit um 40 Jahre verjüngt hat. Dass die Leute bei meinen Rockkonzerten eine halbe Stunde vor Beginn „Heino ist die geilste Sau der Welt“ singen, gibt mir ein gutes Gefühl. Wenn ich dann rausgehe, weiß ich, die sind auf meiner Seite. Und da sollte man doch weitermachen. Deswegen habe ich jetzt auch wieder einige Titel aufgenommen, u.a. von Trio, Rammstein, den Toten Hosen, Kurt Weill. Das macht mir Spaß. Musik kennt keine Grenzen.

Hat es Ihnen auch Spaß gemacht, mit Rammstein in Wacken aufzutreten?
Das hat wahnsinnig Spaß gemacht. Vor allen Dingen, weil die sich bei mir gemeldet haben und nicht umgekehrt.

Hat Rammstein das mit einem ironischen Augenzwinkern getan – oder mag die Band Heino wirklich?
Ich habe gespürt, es macht denen viel Spaß, mit mir zu arbeiten. Wir haben ja zusammen geprobt und hatten schnell einen Draht zueinander gefunden. Es hat großartig funktioniert.

Kommt da noch mehr?
Jetzt kommt erstmal mein letztes Album. Ich weiß es noch nicht. Wenn meine Schallplattenfirma mich bedrängt, werde ich vielleicht noch mal was machen, aber ich plane eigentlich keine weiteren Alben und Tourneen – bis auf meine Abschiedstournee.

Hat Kraftwerk Ihre Version von „Das Modell“ gehört?
Das weiß ich jetzt nicht, aber auf meinem Album haben wir den Titel so gecovert, wie er von Kraftwerk 1978 gespielt wurde. Zudem haben wir eine Version aufgenommen, die ist wesentlich aggressiver als das Original und dem heutigen Sound angepasst. Aber wir werden sie sehr wahrscheinlich nicht veröffentlichen, weil wir davon ausgehen, dass Kraftwerk dann sofort prozessieren.

Muss man sich bei Ihrer Abschiedstournee auf Pyrotechnik und Lederjacke einstellen?
Ich weiß es noch nicht. Ich habe ja zwei Themen: Erstens möchte ich mich rockmäßig mit Lederjacke und Totenkopf verabschieden, und im Herbst mache ich vielleicht noch eine Konzertverabschiedung. Mit den üblichen volkstümlichen Liedern wie „Ännchen vom Tharau“, „Sah ein Knab ein Röslein stehen“ und „Am Brunnen vor dem Tore“. Die kann man aber nur in einem Konzertsaal präsentieren.

Für so manches volkstümliche Lied wurde Sie einerseits verehrt und andererseits verspottet. Warum polarisieren Sie so stark?
Das waren die Medien! In den 1960er Jahren, als die Beatles auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren, kam ich als junger Sänger mit Volksliedern an. Ich hatte blonde Haare und blaue Augen. Da bin ich eben so abgestempelt worden. Aber ich habe mich für das Volkslied entschieden. Gut, dass ich es gemacht und immer polarisiert habe! Hätte ich es gemacht wie alle anderen, wäre ich heute vielleicht nicht mehr da.

Ihnen wurde vorgeworfen, von den Nationalsozialisten gesungene Lieder wieder salonfähig zu machen. Haben Sie eine unkritische Haltung zu volkstümlichem Liedgut?
Das ist dummes Zeug! Ich wüsste nicht, welche Lieder das sein sollten. Ich habe gute Leute in meinem Team. Die achten bei der Auswahl des Repertoires darauf, dass wir nirgendwo anecken. Es gibt bei mir nicht ein einziges anstößiges Lied.

Wollen Sie bewusst Debatten provozieren über den Umgang der Deutschen mit ihrer eigenen Vergangenheit?
Nein, das liegt mir fern. Als ich anfing, sang ich „Jenseits des Tales“, ein Lied aus der Bündischen Jugend. Die Bündische Jugend war eine Gruppe um die Jahrhundertwende. Sie sang Zeilen wie „Jenseits des Tales / Wenn die buntten Fahnen wehen / wir lieben die Stürme / Karamba, karacho“. Das waren deren Rocklieder. Die habe ich gesungen ohne darüber nachzudenken, dass sie aus einer Zeit stammen, die verpönt ist. Um Gottes willen!

Ist es wahr, dass Sie in der DDR verboten waren?
Ja. Warum, weiß ich nicht. Ich wusste, dass ich in der DDR nicht singen durfte, aber es gelang mir trotzdem, CDs rüber zu transportieren. Wir haben sie einfach in andere Hüllen gesteckt und so sind Heino-CDs auch in die DDR gelangt. Es war natürlich schade, aber nach dem Mauerfall hatte ich genug Gelegenheit, im Osten zu singen.

Gab es ein offizielles Statement, weshalb Ihre Platten im Osten verboten waren?
Nein, das gab es nie. Ich habe darüber auch nicht nachgedacht, sondern habe immer nur an die armen Leute gedacht, die belogen worden sind.

Auf Ihrer Platte ist auch eine Version von Hildegard Knefs Klassiker „Für dich soll’s rote Rosen regnen“. Kannten Sie sie persönlich?
Na klar. Wenn wir in Hamburg waren, haben wir uns abends immer zusammengesetzt und ein Weinchen getrunken. Das Lied singt aber meine Frau Hannelore. Sie hat es mir zum Geburtstag gewidmet.

Wie stellen Sie und Hannelore sich den Ruhestand vor?
Naja, ich muss erstmal abwarten. Erstmal werde ich faulenzen. Lange schlafen und vielleicht mal ein paar Tage länger in Kitzbühel sein, wo wir wohnen. Wir wollen uns mal richtig um uns selbst kümmern. Das wird immer verschludert, weil ich viel unterwegs bin. Heute zum Beispiel sitze ich in Hamburg und Hannelore ist in Bad Münstereifel geblieben, weil das Reisen für sie stressig ist. Ich bin noch ein bisschen fitter als sie. Wir lassen erstmal alles auf uns zukommen. Ansonsten habe ich einen Enkel, der ist jetzt 21 geworden. Er nimmt Gesangs- und Gitarrenunterricht und hat mir das schöne Lied „Der Junge mit der Gitarre“ gewidmet. Um ihn will ich mich in Zukunft mehr kümmern.

Hat Ihr Enkel Sebastian Ihnen geraten, Sidos Hit „Bilder im Kopf“ zu singen?
Nein, das habe ich mir selbst geraten. Sprechgesang ist nicht so mein Ding, ich brauche immer Harmonien, Melodien und einen schönen Text, aber mir gefällt das Lied. Ich weiß aber noch nicht mal, wer es komponiert und getextet hat. Zu den jungen Leuten im Studio, die es mir vorspielten, habe ich sofort gesagt, dass ich es singe. Und das habe ich dann auch mit Überzeugung getan.

Hören Sie nach Feierabend noch Musik?
Wenn ich Feierabend habe, müssen meine Ohren mal eine Pause machen. Meine Lieblingsfernsehsendung sonntagabends ist Rosamunde Pilcher. Dann trinke ich ein Gläschen Rotwein und Hannelore einen Rosé. Bei solchen Abenden haben wir Spaß.

Haben Sie sich schon Tickets für die kommende Rammstein-Tour besorgt?
Nein. Ich glaube, die ist ausverkauft. Aber ich bräuchte nur den Till anzurufen, dann besorgt er mir noch ein Ticket. Ich bin ja in der nächsten Zeit auch auf Tournee. Wenn ich Zeit habe und Rammstein sind in der Nähe von Köln oder Düsseldorf, dann will ich da hingehen. Genauso wie ich auch die Rolling Stones vor Jahren besucht habe.

Wie gut kennen Sie die Rolling Stones?
Der Mick ist ein paar Jahre jünger als ich. Ich habe ein wunderschönes Foto von ihm und mir. Es hängt bei uns zuhause in der Wohnung. Der Finanzberater von Mick war Prince Rupert Loewenstein. Er ist verwandt mit dem Adelsgeschlecht Auersperg, so heißt ja meine Frau. Auf diese Weise bin ich zu einem schönen Foto mit Mick gekommen.

Wusste Mick Jagger, wer Heino ist?
Das wusste er, ja. Wir haben uns in Köln ein zweites Mal gesehen. Das erste Mal begegneten wir uns auf dem 60. Geburtstag von Hetti von Bohlen und Halbach in Venedig. Mick ist ein eher ruhiger Zeitgenosse, als wenn ihn kein Wässerchen trüben könnte, aber er ist sehr nett. Man kann gar nicht glauben, dass er auf der Bühne immer so rumspringt.

Haben auch Sie als junger Mann wilde Zeiten erlebt?
Nein, in den 50er Jahren gab es keine wilden Zeiten. Ich bin von 1938. Da war eher alles ruhig.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen volkstümlicher Musik und Rockmusik?
Die Volksmusik ist natürlich anders gestrickt als die Rockmusik. Sie ist harmonisch besser bestückt. Rockmusik besteht ja aus Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. Sie ist laut und hat nicht viel Harmonik. Lieder wie „Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Ännchen von Tharau“ sind harmonisch eine andere Herausforderung als Rocktitel. Obwohl beides erfolgreich ist.

Ist es für Sie als Sänger eine Herausforderung, Lieder von Rammstein zu singen?
Es fällt mir zum Beispiel leicht, die „Sonne“ zu singen. Da muss ich ja nicht viel singen. (stimmt „jetzt kommt die Sonne“ an) Aber der „Enzian“ geht über drei Oktaven und ist für einen Sänger eine ganz andere Herausforderung, ohne jetzt die „Sonne“ von Rammstein abwerten zu wollen.

Heino auf Abschieds-Tour

Heino geht auf Abschiedstournee und macht am 1. März um 20 Uhr im Hirsch in Nürnberg Station.
Karten für das Konzert gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.