Veranstaltungstipps Matthias Reim: „Mein Leben glich einer Achterbahnfahrt“

Das Gespräch führte Steffen Rüth
 Foto: Sven Sindt

Matthias Reim ist mit seinen 60 Jahren topfit und hat mit „Meteor“ ein neues, erfolgreiches Album gemacht. Im Sommer geht er außerdem auf Tour.

 
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Matthias, Sie leben am Bodensee. Schon geschwommen dieses Jahr?
Bist Du bekloppt? (lacht). Nein, das ist mir viel zu kalt. Selbst bei 16 oder 17 Grad Wassertemperatur in den See zu gehen, tut mir weh. Damit ich in den See springe, muss das Wasser schon warm sein.

Wie läuft Ihr perfekter Tag am See ab?
Im Sommer bin ich so oft draußen wie es geht. Ich liebe das. Ich setzte mich in mein Bott, Leinen los, mache mir einen Cappuccino und fahre auf den See. Ganz still und friedlich ist es draußen. Wenn mir schön warm ist, schwimme ich eine Runde. Aber ich bin einfach kein Extremsportler. Vor zwei Jahren habe ich es zuletzt mit dem Wakeboard probiert. Das ging drei Minuten ganz gut, dann kam eine fette Bootswelle und ich riss mir so richtig tief das Schienbein auf. Ich dachte nur „Mensch, Matthias, was musst Du dir noch beweisen?“

Nichts mehr?
Genau. Ich muss weder mir noch sonst jemandem noch was beweisen. Mein Sohn Julian, der 21 ist, stand letztens voller Ehrfurcht vor mir und sagte „Papa, was Du geleistet hast und wie Du drauf bist – Respekt!“ Das hat mich ein bisschen stolz gemacht.

Was mögen Ihre Kinder besonders an Ihnen?
Dasselbe, was ich auch mag: Meine Gelassenheit. Ich stehe dieses Jahr 70 Mal auf der Bühne und mache das mit einer großen Freude und Leichtigkeit. Dass ich so entspannt bin, beobachte ich erst seit kurzer Zeit an mir. Das ist ein tolles, sehr schönes Gefühl.

Woher kommt die neue Entspanntheit?
Aufgrund meiner Lebensgeschichte hatte ich erst sehr spät das Gefühl „Du bist sicher“. Mein Leben glich lange einer Achterbahnfahrt, ich war sehr erfolgreich, dann war ich lange nicht erfolgreich, ich musste damals Insolvenz anmelden. Seit einigen Jahren habe ich eine wirtschaftliche Basis, eine sehr stabile berufliche Basis, ich wohne im eigenen Haus und kann meine Kinder studieren lassen. Was immer auch passieren wird, ich kann es finanziell auffangen. Das ist extrem beruhigend. Wahrscheinlich genieße ich dieses „Alles-im-grünen-Bereich“-Gefühl mehr als jene Menschen, die immer gewohnt waren, das alles klappt.

Sind Sie dankbar für die harten Zeiten?
„Dankbar“ ist das falsche Wort. Aber hätte ich mit Mitte 40 nicht noch einmal richtig Druck gekriegt, weil ich nichts mehr hatte, wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Die Insolvenz hat mich stärker, besser und fleißiger gemacht. Es war wie in der Schule: Da habe ich mich auch erst kurz vor dem Abi auf den Arsch gesetzt – weil ich es musste.

Das Stück „Wieder am Start“ handelt von Ihrem Talent, auch aus schwierigen Lagen wieder aufzustehen.
Ja. Wobei ich mich vor allem auf meine mentalen Fähigkeiten verlassen kann. Körperlich habe ich vor drei Jahren mit meinen Herzproblemen ja richtig einen auf die Mütze gekriegt. Danach habe ich teilweise mein Leben verändert, was mir sehr geholfen hat.

Was machen Sie heute anders als vor der lebensbedrohlichen Herzmuskelerkrankung?
Viel Sport! Sollte man sowieso machen, wenn man älter wird, hatte ich aber nicht. Ich wog nur 59 Kilo und hatte Muskeln wie ein Spatz. Also habe ich Muskeln aufgebaut, damit das Leben in den Körper zurückkommt. Jetzt wiege ich 63 Kilo und habe viel mehr Kraft als früher. Und ganz ehrlich: ich sehe klasse aus (lacht).

Was für Sport machen Sie?
Ich habe angefangen, Fahrrad zu fahren. Und in meinem Haus habe ich mir einen Raum mit Maschinen eingerichtet. Viermal die Woche mache ich dort Übungen, alle zwei Wochen kommt außerdem ein Personal Trainer. Neben dem Kraftraum ist mein Schwimmbad. Da gehe ich morgens nach dem Aufstehen rein und dann nochmal abends um 23 Uhr, wenn ich Feierabend mache. Erst danach hole ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank.

Schon praktisch, wenn man Schwimmbad und Fitnessstudio im Haus hat, oder?
Total. In der Therme oder in der Sauna habe ich ja keine ruhige Minute. Inzwischen bin ich richtig süchtig nach meinem Sport. Wenn ich was gemacht habe, bin ich hochkreativ und einfach gut gelaunt.

Und das Bier gibt es dann als Belohnung?
Genau. Im Studio, bei der Arbeit, trinke ich niemals. Mit Bier kann ich mich nicht konzentrieren und werde müde.

Sie sind im vergangenen November 60 Jahre alt geworden. Wie kommen Sie mit dem Alter zurecht?
Oh Mann, darüber habe ich mir vorher einen Riesenkopf gemacht. An meinem Geburtstag konnte ich in keinen Spiegel gucken, ohne „Ach du scheiße“ zu denken. Dann habe ich darüber nachgedacht, was mein Vater mit 60 gemacht hat und wie es meinem Großvater in dem Alter ging. Und dann schaute ich meine junge Lebensgefährtin, die seit fünf Jahren an meiner Seite ist, an und sagte „Irgendwie ist das bei mir völlig anders“. Ich habe also ein paar Mal tief durchgeatmet und mir von allen bestätigen lassen, dass ich nicht aussehe wie ein Sechzigjähriger (lacht). Jetzt, mit ein paar Monaten Abstand, kann ich gut mit dem Alter umgehen. Ich bin sogar ein kleines bisschen stolz darauf, 60 zu sein. Denn: Das musst du erstmal hinkriegen.

Geht es in Liebesliedern wie „Meteor“ oder „Himmel voller Geigen“ um Ihre Freundin Christin Stark und Sie?
Natürlich fließen in meine Texte immer auch persönliche Erfahrungen und Gedanken mit hinein. Aber wenn ich eine Geschichte erzähle, dann ist das keine private Geschichte. Speziell „Himmel voller Geigen“ ist schon fröhlicher, leichter und schwereloser als das wirkliche Leben. Sich zu lieben und zusammenzuleben, das ist ja nicht immer nur rosarot. Sondern eine ständige Herausforderung.

Die worin besteht?
Zum Beispiel erwarte ich, dass meine Partnerin attraktiv bleibt und sich entwickelt. Und dasselbe verlange ich auch von mir. Oftmals ist das bei mir nicht der Fall gewesen.

Sie sind also nicht gerade unkompliziert?
Ich glaube, es ist bestimmt nicht einfach, mit mir und meinem Beruf zu leben. Aber mein Sohn hat neulich einmal zu mir gesagt: „Matthias, du bist einer der liebevollsten, aufrichtigsten und freundlichsten Menschen auf der ganzen Welt. Ich möchte auch einmal so werden wie du!“. Das war ein ganz wunderbarer Moment für mich.

Ihr Sohn macht eine Ausbildung bei Ihnen im Studio, Ihre Lebensgefährtin ist auch Schlagersängerin, und Ihre 17-jährige Tochter Marie, deren Mutter Michelle ebenfalls Schlager macht, hat einen Plattenvertrag unterschrieben, im Sommer soll ihr erstes Album erscheinen. Finden Sie gut, dass sie in Ihre Fußstapfen tritt?

Marie hat wirklich Talent, und ich unterstütze sie natürlich, wo ich kann. Ich bin zuversichtlich, dass sie ihren Weg machen wird, auch wenn das im Musikgeschäft heutzutage echt sehr schwierig geworden ist.

Kommen die Kinder zu Ihnen, wenn sie Liebeskummer haben?
Ja, klar. Mein Rat ist eigentlich immer derselbe: Entspann’ dich mal.

In „Himmel voller Geigen“ singen Sie, beim Flirten seien Sie nie gut gewesen. Sie waren drei Mal verheiratet, haben sechs Kinder von fünf Frauen. So schlecht kann es also nicht gelaufen sein.
Ja, da ist was dran. Vielleicht hatte ich deshalb so viel Erfolg bei Frauen, weil ich es nie drauf angelegt hatte. Zum Aufreißen und Baggern fehlte mir das Selbstbewusstsein. Ich war immer einfach ich.

„Es war der Song“ handelt vom Moment, in dem sich zwei Menschen verlieben. Warum wird es nicht langweilig, über die Liebe zu singen?
Worüber sollten wir denn sonst schreiben? Die GroKo? Den Diesel? Nein, das bewegt die Menschen nicht. Die Liebe bewegt die Menschen. Für altbekannte Themen immer wieder neue Worte und neue Melodien zu finden, das fasziniert mich. Über die Jahre habe ich gelernt: Wenn du den coolen Hund gibst, interessiert das keinen da draußen. Die Leute wollen hören, was in deiner Seele wirklich vor sich geht.

Ist „Verdammt nochmal gelebt“, dessen Titel ja wohl nicht zufällig an deinen größten Hit „Verdammt, ich lieb‘ Dich“ erinnert, so eine Art große Zwischenbilanzhymne?
Total, außerdem wollte ich bei dem Lied zurückfinden zum „Ursprungs-Reim“, also einfach meine Gitarre nehmen und spielen. Und erzählen, dass ich ordentlich was hinter mir habe, aber auch: Dass ich verrückt geblieben bin.

Werden Sie auch in Zukunft verrückt bleiben?
Das hoffe ich doch sehr. Letzten Sommer habe ich meine alte Harley verkauft – an einen 78-Jährigen. Das war der absolute Kindskopf. Schwingt sich mit einem Grinsen auf meine Maschine und braust davon. Ich dachte nur: „Geht doch“. Ein anderes wunderbares Beispiel ist mein Manager Dieter Weidenfeld. Der ist 87 und sagt, er suche jeden Tag eine neue Herausforderung. Als Dieter 77 war, sind wir in Bolivien in den Anden herumgeklettert, auf 4.200 Meter. Und ich immer nur „Dieter, kannst Du nicht etwas langsamer laufen bitte“.

Haben Sie sich eine neue Harley gekauft?
Logisch. Es ist echt unglaublich, wie viele Rentner mit ihren Motorrädern unten am See sitzen. Das hat es zu Zeiten meines Vaters nicht gegeben. Wir sind die Rock’n‚Roll- Generation, wir leben unsere Träume gründlich aus.

Gilt das auch für Ihre Musik als solche? Nach altmodischem Schlager hört sich „Meteor“ ja kaum an, „Es ist Wahnsinn“ zum Beispiel erinnert vielmehr stark an „Still Got The Blues“ von Gary Moore.
Ha! Ich habe mir eine halbakustische Bluesgitarre zugelegt und dachte auch „Mensch, wie Gary Moore“. Ich spiele sowieso fast alle Gitarren auf dem Album selbst, die Freiheit habe ich mir genommen. Das ganze Album entspricht echt meinem Geschmack, ich gehe ein bisschen zurück zu den Wurzeln, zur handgemachten Musik. Ein paar Stücke, etwa „Himmel voller Geigen“, oder auch „Meteor“ – das sind so diese typischen Reimschlager mit einfachen Stories. die leicht ins Ohr gehen. Das wollen meine Fans hören. Aber dass ich nicht nur Synthie-Schlagerpop mit nichtssagenden Texten machen will, das weiß jetzt hoffentlich endgültig jeder. Meine Konzerte sind keine Oldie-Shows, sondern Rock’n‚Roll. Und der größte Teil meiner Lieder sind rockige Balladen.

Spielen Sie „Verdammt, ich lieb‘ Dich“ noch?
Natürlich. Der Song wird immer zu mir gehören. Ich spiele ihn immer noch gern.

Werden Sie die Fußball-WM verfolgen?
Und ob! Sommer am See, und in jeder Ecke ein Fernseher – das ist mein Plan. Da fällt mir meine Jogi-Löw-Geschichte ein. Ich saß vor zwei Jahren in Berlin in einem Lokal und war am Essen, da tippt mir plötzlich von hinten jemand auf die Schulter: Jogi Löw. Er sagt: „Herr Reim, ihre Musik begleitet mich, egal, wohin ich fahre.“ Ich habe mich so gefreut und war stolz. Aber schon vorher war ich ein absoluter Löw-Fan!

Die Frage, wer Ihr Weltmeister-Tipp ist...
...erübrigt sich. Wir natürlich!

Matthias Reim auf Tour

Die deutsche Sänger tritt am 30. Juni um 20 Uhr im Naturtheater in Bad Elster auf und am 28. Dezember um 20 Uhr in der Stadthalle in Zwickau. Karten dafür gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.