Als "missratene Würde" hat Loriot die Komik definiert. Ein Menschenfreund und -kenner war der große Humorist; und doch hat sich wohl keiner seinesgleichen in Spürsinn und Spottlust vergleichbar über die Macken, Missgeschicke und Spießbürgereien des gemeinen Deutschen lustig gemacht. 2011 tat der Autor, Zeichner, Film- und Theaterregisseur, Schauspieler und Entertainer den letzten Atemzug; heute vor neunzig Jahren kam er in Brandenburg als Vicco alias Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow und Spross aus altem Adel Mecklenburgs zur Welt; der Vogel am Familienwappen, der Pirol, heißt im Französischen Loriot - daher das Pseudonym. Lebendig bleibt der Unvergessene in seinen Grafiken und Sketchen. Neu kennenlernen kann man ihn nun gar in einem Großband, betitelt mit einem Adelsprädikat für guten Wein: "Spätlese". Eigenständig gehört das grandiose, überraschungsreiche Album zu einer Ausstellung, in der das Münchner Literaturhaus bis zum 12. Januar zahllose, vielfach unveröffentlichte Blätter aus dem Nachlass präsentiert. "Privates und Halbprivates", Möpse und Menschen sind darin in Farbe und Schwarz-Weiß enthalten. Und "Große Deutsche": Einer, Richard Wagner, schlägt die Brücke, indem er unter Barett und Knollennase einen Mops in seinen Armen wiegt. Langsam auf der Zunge sollte man sich Blatt um Blatt zergehen lassen, um ein schräges Bild zu gebrauchen, wie Loriot sie liebte. "Was spüren Sie auf der Zunge?", fragt der Vertreter der Kellerei Pahlgruber und Söhne, das Inbild missratener Würde, in einer berühmten Fernsehszene die übertölpelte Frau Hoppenstedt. Die ihr kredenzten Weine kann man nun, "abgefüllt und originalverkorkt", wirklich online kaufen: "Hupfheimer Jungferngärtchen", "Klöbener Krötenpfuhl" und "Oberföhringer Vogelspinne". Am heutigen Geburtstag prostet die Fangemeinde, den Bildband auf den Knien, dem Verblichenen dankbar zu: "Wohlsein!"