Selb - Auf weißer Leinwand nichts als eine dünne schwarze Linie: Der österreichische Maler Manfred Pohn hat sie nachgezeichnet aus einer Wanderkarte, wo sie den Weg von Haag am Hausruck in Österreich nach Kvilda im Böhmerwald markiert. In Haag wurde 1848 der deutsch-tschechische Schriftsteller Karl (Karel) Klostermann geboren, im tschechischen Kvilda fand 2008 ein Künstler-Workshop zu seinem Andenken statt. Drei Jahre früher hatten sich Maler aus drei Ländern am gleichen Ort auf die Spuren Adalbert Stifters begeben, der 1805 in Böhmen zur Welt kam und 1868 in Linz gestorben ist. Jetzt werden Ergebnisse aus beiden Symposien in Selb zusammengeführt. "Hommage à Stifter und Klostermann" heißt die Ausstellung, die der Kunstverein Hochfranken Selb im Rahmen des grenzüberschreitenden Kulturprojekts "Verknüpfungen" präsentiert. Zu sehen sind, im Foyer des Rosenthal-Theaters und in der Massemühle im Factory In, 31 großformatige Bilder (zwei mal zwei und zwei mal drei Meter) von 25 Künstlern.

Michal Singer zeigt den Herrn Klostermann als bärtigen Wanderer, der kraftvoll die Landschaft durchschreitet. Bei Marc Baudery schaut Stifters blasses Porträt aus herbstlich gefärbtem Laub hervor, und am Rand des Bildes sind die Titel zweier Werke des Dichters zu lesen - "Bergkristall" und "Brigitta". Aber eigentlich geht es, wie Projektleiter Hans-Joachim Goller bei der Eröffnung der Ausstellung sagte, gar nicht so sehr um die beiden Autoren. Der wichtigste An- und Verknüpfungspunkt für die Künstler war und ist der Raum, in dem die Schriftsteller lange lebten und über den sie geschrieben haben: der Böhmerwald. Drastisch und ohne Pathos schilderte Klostermann die raue Lebenswirklichkeit seiner Bewohner, eher weitschweifig stellte Stifter Natur und Landschaft dar, als hinterwäldlerisch empfanden Kritiker seine das Werk durchziehende "Sittlichkeit".

Von Gestrigem freilich sind die Bilder, die zum Teil schon in Prag, Wien, Zagreb, Warschau und Brüssel ausgestellt wurden, absolut frei. Václav Malina - er war 2008 mit einer Einzelausstellung in der Galerie Goller zu Gast - reduziert den "Wald" auf vertikale farbige Streifen; Stanislav Divis und Petr Kvicala greifen Stilmittel der Pop- und der Op-Art auf; Vladimir Hanus scheint mit seiner Farbfeldmalerei den großen Mark Rothko zu zitieren. Zum weiteren Angebot zählt abstrakt-lyrischer Expressionismus (Georg Stifter, weitläufig mit dem Dichter verwandt) ebenso wie eine Malerei, die geometrische Gliederung mit Fragmenten von Landschaft verbindet (Jan Samec, Gollers wichtigster Partner im Nachbarland Tschechien).

Aber es fehlt auch Gegenständliches nicht. Die junge Nürnbergerin Katharina Dietlinger zieht den Betrachter, indem sie von oben auf den Böhmerwald blickt, hinein in ein Meer von Grün; ins Walderlebnis bei Jürgen Huber aus Regensburg fließen Märchenhaftes und Unheimliches ein. Von Holzfällern bei der Arbeit reicht das Spektrum bis zum flott kolorierten "Tal der sauren Gräser", auch ein "Friedenskreuz" und "Böhmerwälder Erdbeeren" sind zu sehen. Und Tiere, immer wieder: Ihre berührendste Rolle spielen sie als Trauerfamilie auf Ludek Rathouskys düsterer Arme-Leute-Szene "19. Jahrhundert", ihre vitalste und erfrischendste auf den "Ansichtskarten", die Michael Rittstein, Professor an der Prager Kunstakademie, als groteskes Panorama unterm Regenbogen auf dreizehn Brettern ausbreitet.

Dass die Bilder keine Titel bräuchten, betonte Goller, der die Besucher zu "eigenen Fantasiegängen" ermutigte, beim Start in die überwiegend erstklassig bestückte Schau. Allerdings sind die Wege der Erkenntnis zuweilen klar ausgeschildert. So nähern sich auf einer Collage - ausgestellt im Factory In, wo eine Fotoserie über die beteiligten Künstler zehn Großformate ergänzt - zwei Hände in den Landesfarben Tschechiens und Österreichs zu freundschaftlicher Begrüßung. Kleines Ärgernis am Rande: Die auf die Wand geklebten Nummern der Exponate sind so winzig, dass Adleraugen benötigt werden, um sie zu finden.

Auf Stifter und Klostermann kommen die "Verknüpfungen" am 27. April ab 19 Uhr im kleinen Saal des Rosenthal-Theaters zurück: Dr. Peter Becher, Geschäftsführer des Adalbert-Stifter-Vereins in München, gestaltet dann ein literarisches Begleitprogramm

Bis zum 9. Mai; donnerstags von 16 bis 18, samstags von 10 bis 14 und sonntags von 10 bis 12 Uhr.