Schwarzenbach/Saale – Verlorene Liebe ist wie die Knospe eines Rosenstrauchs: Wie der Spross in rauhem Klima abstirbt, kann auch Liebe von tragischen Umständen ausgelöscht werden. So empfand es Selma Meerbaum-Eisinger, deren Gedicht „Der Sturm“ zusammen mit 23 weiteren am Donnerstag im Alten Rathaus von Schwarzenbach/Saale zu hören war. Zur Lesung eingeladen hatten der Kulturverein und der Verein gegen das Vergessen. Die Hofer Schauspielerin Regula Fischbach erinnerte in der Galerie an die fast vergessene junge Jüdin, die ihre 57 Gedichte handschriftlich in einem Band mit dem Titel „Blütenlese“ zusammenfasste. Der gelangte während des Zweiten Weltkrieges durch eine Freundin nach Israel. 1980 veröffentlichte Jürgen Serke eine Neuauflage: „Ich bin in Sehnsucht eingehüllt“.

Die Rezitation wird zum erschütternden Zeugnis deutsch-jüdischer Geschichte. Denn die Dichterin wurde nur 18 Jahre alt. 1924 in Czernowitz geboren, begann als 15-Jährige zu schreiben; ihr Werk widmete sie einem jungen Mann, der auf der Flucht nach Palästina ums Leben kam. Sie selbst fiel der nationalsozialistischen Judenverfolgung zum Opfer und starb in einem Arbeitslager an Typhus, entkräftet von körperlichen und psychischen Qualen. Ihre melancholischen Naturgedichte führen dem Publikum im fast voll besetzten Saal eindringlich die leidvolle und entbehrungsreiche Situation der Autorin vor Augen.

Regula Fischbach beginnt und endet ergreifend mit „Tragik“: „Das ist das Schwerste: sich verschenken / und wissen, dass man überflüssig ist, / sich ganz zu geben und zu denken, / dass man wie Rauch ins Nichts verfließt.“ Dazwischen vermittelt sie Sehnsucht; jedoch eröffnet sie in „Glück“ und „Lied der Freude“ aufatmend auch Momente der Lebenslust und Hoffnung.

Bei ihrem mit viel Applaus quittierten Vortrag nimmt sie sich selbst zurück; so erdrückt sie den Text nie durch ihre eigene Person. Ihr langsames Tempo ermöglicht den Zuhörern, die Poesie auf sich wirken zu lassen und sich in die Situation der Dichterin hineinzuversetzen. Dabei hilft die unaufdringliche musikalische Begleitung: Stefan Engels, Ehemann der Rezitatorin, lenkt am Kontrabass nicht vom Eigentlichen ab und regt zur Reflexion an.

Sarah Connor, Xavier Naidoo oder Yvonne Catterfield haben Gedichte Selma Meerbaum-Eisingers vertont. Auch Regula Fischbach trägt einige Verse singend vor – doch anders als die Popstar, nämlich ruhig und bedächtig. So gibt sie der Sprache und den Bildern Zeit, zu wirken und sich zu entfalten. Vom Faktor Zeit, von der musikgefüllten Pause zwischen den Strophen, profitieren auch die Gedichte selbst.