Freude geht anders. Wie sie geht, machten den Deutschen lange Zeit andere Länder vor. Immer am 14. Juli etwa freuen sich die Franzosen öffentlich über die Erstürmung einer Zwingburg, der Bastille, die ihnen 1789 als Symbol absolutistischer Unterdrückung galt. Oder die Nordamerikaner: Allsommerlich gedenken sie am 4. Juli jenes Tags im Jahr 1776, als sich dreizehn englische Kolonien in der Neuen Welt für unabhängig und zu United States erklärten. Republikanische Fanale. Dagegen West-Deutschland, 1953: Da tat man, acht Jahre nach dem Ende des Weltkriegs und seines Anstifters Adolf Hitler, gut daran, glanzvolle Ereignisse der desavouierten Nation nicht hochzuhalten. Vor nun sechzig Jahren, am 4. August, rief die Bundesregierung den 17. Juni per Gesetz als "Tag der Deutschen Einheit" aus - nicht freilich weil die errungen worden wäre, sondern weil sie, ein paar Wochen zuvor, gescheitert war. Ein Trauertag: Am 17. Juni hatte sich erst in Ost-Berlin, dann in über 700 Orten der wackligen DDR die Erbitterung der Menschen über Unterversorgung und Arbeitsnorm-Erhöhungen in einem Generalstreik, schließlich in einem Volksaufstand verzweifelt Luft gemacht; das SED-Regime ließ die Rebellion mit eigenen und russischen Panzern niederwalzen und -schießen. Für 37 Jahre blieb der schwarze Schicksalstag in der Bundesrepublik offizieller Gedenktermin. Später wurde, was die Ostdeutschen 1953 vergebens erstrebt hatten, durch ihren friedlichen Protest doch Wirklichkeit: Im Einigungsvertrag vom 29. September 1990 legten die Unterzeichner den 3. Oktober als Tag der Einheit fest - an diesem Tag trat die DDR formell der Bundesrepublik bei. Die hatte damit endlich einen veritablen Freudentag. Hingegen verlor der 17. Juni allzu schnell sein Gewicht: 2003, fünfzig Jahre nach dem Aufstand, wusste bei einer Erhebung fast die Hälfte der Befragten schon nicht mehr, was es mit dem Schlüsseldatum auf sich hat.