Der Großvater, Sigmund Freud, interessierte sich fürs Innenleben des Menschen. Psychoanalyse heißt die Disziplin, als deren Begründer er weltweit bekannt wurde. Der Enkel, Lucian Freud, der 1922 in Berlin geboren wurde und in der vergangenen Woche hochbetagt in London gestorben ist, verdankte seine Berühmtheit der Tatsache, dass er die äußere Hülle des Menschen so rücksichtslos wie kaum ein anderer entblößte. Vor allem durch Akte, aber auch durch Porträts - darunter ein sehr umstrittenes Bildnis der Queen im Jahr 2001 - machte sich der seit 1933 in England beheimatete Maler, der als größter lebender Realist gefeiert wurde, einen Namen. Unsentimental pflegte er Haut und Fleisch bloßzulegen, ums sogenannte Schöne scherte er sich wenig. Seine Bilder, schrieb der renommierte amerikanische Kritiker Robert Hughes, "verzichten auf jeden äußeren Schein der Schicklichkeit, verletzen aber nie die Würde der Dargestellten". Der Maler selbst, dem ein bunt schillerndes Liebesleben nachgesagt wird, vertrat die Ansicht, Aufgabe des Künstlers sei es, beim Publikum Unbehagen zu erzeugen, was ihm eindringlich gelang. Mit dem hier abgebildeten, vergleichsweise lieb und nett wirkenden Frühwerk "Mädchen mit weißem Hund" (1951/52) wollte Freud auf die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier hinweisen. Formal drückt sie sich aus in der Ähnlichkeit der weißen Brust des Mädchens mit dem weißen Kopf des Hundes und im Gleichklang zwischen Brustwarze und Hundenase. Vom Großvater Sigmund (1856 bis 1939) übrigens blieben dem malenden Enkel zwei Dinge besonders in Erinnerung: Geldgeschenke und Witze.