Joditz - Angeblich gibt es ja keine Zufälle. Und so muss es wohl Schicksal gewesen sein, dass Eberhard Schmidt und seine Frau Karin Anfang der 1990er-Jahre auf der Suche nach einem Haus ausgerechnet in Joditz gelandet sind - auf einem bäuerlichen Anwesen, das seit zwanzig Jahren leer gestanden hatte. Ob sie damals schon verheiratet waren, ist den beiden entfallen. Karin Schmidt hat ihren Ehering verloren - und Eberhard Schmidt, der Gründer des Jean-Paul-Museums in Joditz, kann auch unter Zuhilfenahme einer beleuchteten Lupe das eingravierte Hochzeitsdatum in seinem Ehering nicht mehr erkennen. Auf jeden Fall haben sich die Schmidts sofort in das Anwesen verliebt.

Erst später stellte sich heraus, dass der große Garten einst just der Pfarr-Küchengarten war, in dem Jean Paul, Oberfrankens berühmtester Dichter, als Kind lateinische Grammatik paukte, während sein Vater in dem kleinen "Lusthäuschen" Predigten vorbereitete. Das alles geschah zwischen "Johannis- und Himbeeren mit der salatbrechenden Mutter", wie Eberhard Schmidt schmunzelnd seinen Lieblingsdichter zitiert.

Seit fünfzehn Jahren steht auf dem Platz des einstigen Lusthäuschens nun das Jean-Paul-Museum - sichtbares Zeichen für die Leidenschaft vor allem von Eberhard Schmidt. Von seiner Frau Karin fordert das - von ihr liebevoll ausgestattete - Museum manchmal auch eine erhöhte Leidensbereitschaft. "Mich nervt es, wenn man gar nicht mehr weg kann", sagt sie. So viele Besucher melden sich zur Besichtigung an, dass längere private Reisen - wie andere Ehepaare sie mit Ende sechzig unternehmen, oft nicht möglich sind. "Karin besetzt mein Leben teilweise", erklärt Eberhard Schmidt mit hintergründigem Lächeln. "Der Rest ist Jean Paul." Angesichts des kleinen ehelichen Disputes legt Hündin Senta unterstützend ihre Pfote auf das Bein ihres Herrchens, blickt treuherzig zu ihm auf - und beschwichtigt so den Konflikt auf der Stelle.

Momentan ist das Museum ohnehin geschlossen - sozusagen zur Vorbereitung auf den großen Sturm. Bei der Wiedereröffnung am 21. März 2013 jährt sich der Geburtstag Jean Pauls zum 250. Mal. "Das Jubiläumsjahr wird wie eine Lawine auf uns zukommen", erklärt Karin Schmidt. Schon jetzt riefen beispielsweise Bäcker oder Metzger an und wollten wissen, was sie in Bezug auf den Dichter im Jean-Paul-Jahr Besonderes anbieten können. In Berlin sei eine große Ausstellung über den Nachlass von Jean Paul geplant. "Die wollten dazu auch von uns Sachen haben", berichtet der Museumsgründer. "Aber jetzt, im Jubiläumsjahr, gebe ich die natürlich nicht heraus." Dann klingelt das Telefon. Auch der Ururenkel von Jean Paul will von den Schmidts eine Auskunft über seinen berühmten Vorfahren.

Das Interesse an dem "wunderbaren Jean-Paul-Museum in Joditz" wie es der Berliner Tagesspiegel kürzlich formulierte, reicht deutschlandweit. Einblicke in Person, Leben und Werk des Dichters sind dort möglich, ebenso sind nahezu alle Erstausgaben Jean Pauls im Museum versammelt. Zwei dicke Ordner mit Artikeln aus überregionalen Zeitungen, darunter Süddeutsche, FAZ und Die Zeit, dokumentieren den Erfolg des Hauses. Besonders Literaturwissenschaftler haben Joditz in den vergangenen Jahren als ihr Mekka entdeckt. Aber auch Leute wie Andreas Voßkuhle aus Karlsruhe, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hinterlassen begeisterte Einträge im Gästebuch: "Was für ein Ort?! Wie viel Fantasie?! Wie viel Herz und Begeisterung?!"

Es sind nicht nur die positiven Reaktionen der unterschiedlichsten Besucher aus dem ganzen Land, die das Ehepaar Schmidt in seinem Engagement für das private Museum bestätigen. Besonders Eberhard Schmidt hat eine stille Freude an der Beschäftigung mit Jean Paul, "dem Dichter ohne Leser", wie er selbst einmal über ihn schrieb. Sein Gesamtwerk sei wie "ein riesiges unüberwindliches und unzugängliches Gebirge". Fast sein halbes Leben lang hat sich der 68-Jährige mit dem schwierigen oberfränkischen Autor beschäftigt.

Begonnen hat seine Passion, als er 1980 einen griffigen Spruch für das Briefpapier seines neu eröffneten alternativen Buchladens in Hof suchte. Durch etliche jeanpaulsche Werke hat er sich damals gekämpft, bis er das folgende Zitat fand: "Lesen ist wie wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über Sterne."

Der Satz steht als Leitspruch noch heute in den Bänden der von Schmidt herausgegebenen Jean-Paul-Edition Joditz, mit der er Laien Lust machen will auf die Texte des Meisters. "Jean Paul lesen ist wie einen Tunnel bohren", zitiert Schmidt den Schriftsteller und Jean-Paul-Liebhaber Peter Bichsel. "Wer dabei bleibt, sieht Licht am Ende und findet ein echtes Zuhause." Übrigens fanden Jean Pauls Werke zu seiner Zeit mehr Leser als die Bücher Johann Wolfgang von Goethes.

Eberhard Schmidt selbst mag besonders "die Sprache, die Bilder, den Humor und die geistreichen Metaphern Jean Pauls". Wenn er Besucher durchs Museum führt, vergisst er nur selten, von Jean Paul, dem Biertrinker, zu erzählen. "Bei einer Biersendung aus Bayreuth schaut mein Mann glücklicher drein als bei der Ankunft eines Nachkommen", soll seine Frau einmal gesagt haben. Über Jean Pauls Konter in puncto Bier freuen sich vor allem die Männer: "Nichts kommt in die Blase, was nicht vorher in den Kopf geht."

Auch Tiefsinniges floss dem berühmten Oberfranken aus der Feder. "Gehe nicht, wohin der Weg dich führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist und hinterlasse eine Spur." Dass das Ehepaar Schmidt mit seinem Jean-Paul-Museum in Joditz so eine Spur hinterlassen hat, lässt sich heute schon feststellen.

Vortrag am 23. Januar

Zum Auftakt des Jean-Paul-Jahres gibt Eberhard Schmidt eine Einführung in das Leben des berühmten deutschen Dichters. Der Museumsgründer liest aus Jean Pauls Roman "Siebenkäs", der als der erste Eheroman der deutschen Literatur in Hof entstanden ist. Die Veranstaltung des Freundeskreises Hof der Evangelischen Akademie Tutzing beginnt um 19.30 Uhr im Gemeindehaus St. Lorenz in Hof. Der Eintritt ist frei.