Weltweit wird am heutigen Tag des größten Dramatikers Englands, wenn nicht der ganzen Welt, gedacht: William Shakespeare. Doch dass der 23. April vor 450 Jahren wirklich der Tag seiner Geburt war, ist - wie fast alles in seinem Leben - nicht verbürgt, weil nicht belegt. Sicher ist, dass der Sohn von John und Mary Shakespeare am 26. April 1564 in der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon in Warwickshire getauft wurde; Historiker errechneten nach der damals üblichen Zeitspanne zwischen Geburt und Taufe den 23. als Geburtstag. Es soll auch - 1616 - sein Todestag gewesen sein.

Wer sich mit William Shakespeare befasst, kommt um Formulierungen mit "vermutlich" oder "wahrscheinlich" nicht herum: Zu wenig ist aus seinem Leben bekannt und nachweisbar. Die allumfassende Unsicherheit betrifft zuallererst sein Werk. Erste Zweifel an seiner Urheberschaft für die 37 Stücke und Dichtungen, die unter seinem Namen erschienen sind, gab es bereits 250 Jahre nach seinem Tod; die "Anti-Stratfordianer" fanden seitdem prominente Anhänger wie Mark Twain, Sigmund Freud, Voltaire oder George Bernard Shaw.

Es ist ja auch schwer zu glauben, dass der Sohn eines Wollhändlers und Handschuhmachers, der noch dazu als Sympathisant des alten - katholischen - Glaubens vermutlich mit dem Gesetz in Konflikt kam, dass dieser Sohn also Weltliteratur geschrieben haben soll wie "Romeo und Julia", "Ein Sommernachtstraum", "Der Kaufmann von Venedig", "Hamlet" oder "Othello". Zwar hatte der Junge, als er siebenjährig auf die King's Grammar School kam, täglich von 6 bis 17 Uhr Unterricht auch in Latein und Griechisch, der sowohl Grammatik, Logik und Rhetorik wie auch Lektüre umfasste; Französisch und Italienisch aber, geschweige denn Kenntnisse über diese Länder wurden ihm dort nicht vermittelt. Auch eine Universität besuchte er nie. Er musste die Schule sogar abbrechen, da ihn sein Vater im heimischen Betrieb brauchte.

Die Befürworter seiner Urheberschaft dagegen führen unter anderem die präzisen Kenntnisse des Landlebens, des Jahresverlaufs in der Natur und der heimischen Pflanzenwelt ins Feld, die sich in den Stücken zuhauf finden. Immerhin sah Shakespeare den Zweck des Theaters darin, der Natur den Spiegel vorzuhalten.

Im Alter von 18 Jahren verführte William Anne Hathaway, die acht Jahre ältere Tochter eines reichen Bauern aus dem Nachbardorf; als sie heirateten, war sie bereits schwanger. Der Tochter Susanna, die den jungen Eheleuten geboren wurde, folgte bald ein Zwillingspaar, von dem der Junge im Alter von elf Jahren sterben sollte.

Damals wütete in London die Pest, die Theater waren geschlossen, die Schauspieler zogen durchs Land und spielten auf den Märkten. So kam, wie vermutet wird, auch William mit dieser Zunft in Berührung; mit 20 Jahren verließ er Frau und Kinder und schloss sich - wahrscheinlich - einer solchen Truppe an. Darüber, was das künftige "Genie des Theaters" in den folgenden acht Jahren machte, gibt es keinerlei Zeugnisse; deshalb nennen Literaturwissenschaftler diese Zeit die "verlorenen Jahre". Erst 1592 taucht die nächste der kargen Lebensspuren Shakespeares wieder auf. In London.

Dort war gerade der Stücke-Autor Christopher Marlowe der große Star - fast gleich alt wie Shakespeare, aber anders als dieser ein hochgebildeter Cambridge-Absolvent. Es gibt viele Anti-Stratfordianer, die Marlowe für den wahren Autor der Shakespeare-Stücke halten; andere favorisieren Sir Francis Bacon oder, wie Roland Emmerich im Film "Anonymus", Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford.

Recht sicher dagegen ist, dass William von den Stücken Marlowes viel lernte. Nicht zuletzt das Dichten im Blankvers, dem reimlosen fünfhebigen Jambus, der den Text fließen lässt und sich ebenso gut zum Sprechen eignet wie zum Auswendiglernen. William gewann darin von Stück zu Stück mehr Sicherheit und Virtuosität. Überhaupt kann man davon ausgehen, dass beide, Marlowe und Shakespeare, untereinander nicht nur Konkurrenten waren, sondern sich austauschten und sogar, wie auch mit anderen Schriftstellern, zusammenarbeiteten. Die Übernahme von Ideen anderer Autoren oder gar das Umschreiben von Stücken war gang und gäbe - ein Urheberrecht gab es nicht.

Allen Zweiflern zum Trotz, und das zeigt seine Popularität bis heute, hat William Shakespeare ein völlig eigenständiges Werk hinterlassen. Die Besonderheit seiner Kunst zeigt sich vor allem in seinem Umgang mit der Sprache, die bei dem "Barden" immer Transportmittel ist für Inhalte. Shakespeare verwendet einen unglaublichen Wortschatz von etwa 30 000 Wörtern - von schönster Poesie bis hin zu derbsten Flüchen: Er schaute den Menschen aufs Maul. Und wo bekannte Worte und Ausdrücke nicht zureichten, schuf er eben eigene, neue; darunter Wörter wie fancy-free (frei und ungebunden) oder auch laughable (lachhaft, lächerlich). Seine Sprache ist eine mit viel Klang, denn sie ist für die Bühne gemacht; sie ist gleichzeitig dramatisch und heiter und kommt immer auf den Punkt. So erreichte er sein Publikum: das gebildete auf den Galerien wie das einfache Volk im Zuschauerraum unmittelbar vor der Bühne.


Es dauerte daher nicht lange, bis William ein gefeierter, höchst erfolgreicher Bühnenautor war. Zwischen 1590 und 1612 erschienen seine 37 Stücke, von "Heinrich VI." (in drei Teilen) bis "Heinrich VIII.", an dem er vermutlich noch als Mitautor arbeitete; dazu kamen 154 Sonette, die - so wird angenommen - 1593/94, während der Theaterschließung aufgrund eines erneuten Pest-Ausbruchs entstanden. Bei der Theatertruppe der "Lord Chamberlain's Men", den späteren "King's Men", war Shakespeare Autor, Schauspieler und sogar Teilhaber.

Von 1599 an galt er außerdem als Mitbesitzer des Globe Theatre, eines Neubaus am Südufer der Themse; den oben offenen Rundbau hatte seine Truppe selbst errichtet, nachdem der Eigentümer der bisherigen Spielstätte, des "Theatre", die Miete so enorm erhöht hatte, dass sie nicht mehr bezahlbar war. Beim Umzug über den Fluss nahmen die "Chamberlain's Men" dafür alles mit, was nicht niet- und nagelfest war.

Dank des großen Erfolges seiner Stücke, die ganz London bejubelte, und dank seiner anderen Einkünfte, war William Shakespeare Ende der 1590er-Jahre ein vermögender Mann. Ihm und seiner Familie wurde das lang ersehnte Wappen gewährt, das es ihm erlaubte, sich "Gentleman" zu nennen, und er kaufte das zweitgrößte Haus in seiner Heimatstadt. Außerdem wurde er Teilhaber am "Blackfriars Theatre", einer überdachten Spielstätte in London, die der Truppe erlaubte, auch während der Wintermonate aufzutreten.

1610 kehrte der berühmte Autor als reicher Mann nach Stratford zurück - um fortan wieder ein Leben ohne großes Aufsehen zu führen. Er trieb Handel wie sein Vater und starb sechs Jahre später. Sein mit zittriger Hand unterzeichnetes Testament ist das eines Geschäftsmannes. Es führt alle Besitztümer detailgetreu auf und belegt, dass er fast alles seiner ältesten Tochter und ihrer Familie vermachte; seiner Frau Anne, die er fast 20 Jahre alleine gelassen hatte, hinterließ er "mein zweitbestes Bett samt dem Bettzeug". Von seinem wertvollsten Besitz - seinem Werk, den Stücken, Manuskripten, Versen, Sonetten - ist keine Silbe vermerkt.

Sieben Jahre nach Shakespeares Tod veröffentlichten zwei seiner Freunde die erste Gesamtausgabe seiner Werke, "First Folio" genannt. Sie enthielt außerdem ein Lobgedicht seines Autoren-Kollegen und Konkurrenten Ben Johnson. Darin heißt es: Triumphiere, mein Britannien, Du hast einen vorzuzeigen, dem alle Bühnen Europas huldigen. Er war nicht für eine Ära, sondern für alle Zeiten.

Johnson sollte Recht behalten.

Ob diese Büste seinem wahren Aussehen entspricht? Wie über alles andere gibt es auch zu Shakespeares Aussehen keine Gewissheit. kst


Triumphiere, mein Britannien!

Ben Johnson in einem Lobgedicht

über Shakespeare


... mein zweitbestes Bett.

Hinterlassenschaft Shakespeares

an seine Frau Anne


Auf den Bühnen

... der Region zeigen demnächst das Theater Hof "Ein Sommernachtstraum", Premiere ist am 17. Mai; und das Vogtlandtheater Plauen ab dem 26. April "Was ihr wollt".