Als Alexander der Große 335 vor Christus Theben zerstörte, sorgte er dafür, dass von den Bürgerhäusern ein einziges stehen blieb: das des Dichters Pindar. Nach dem Tod Francesco Petrarcas, 1374, galt das Haus des Poeten in Arquà bei Padua für jeden wohlgeborenen Jüngling als unumgängliches Ziel seiner europäischen Bildungsreise. In Deutschland datiert der verstärkte Zulauf zu Dichterhäusern aus dem Jahr 1847, als die Weimarer Wohnung Friedrich Schillers zur nationalen Gedenkstätte aufstieg. Gibt es ihn, den genius loci, jene unverwechselbare Aura eines besonderen Ortes, die ihn spürbar als Stätte des Schöpfertums, des Geistes ausweist?

Gebäude als Erinnerungsorte, Auslöser des Gedenkens: 51 "Dichterhäuser", verstreut über Deutschland, Österreich und die Schweiz, stellt der Amsterdamer Germanist Bodo Plachta in einem aufschlussreichen Buch vor, das sich freilich die Frage gefallen lassen muss: Gibt's das nicht schon? Tatsächlich veröffentliche der Bamberger Publizist Peter Braun 2003 und 2005 beim Deutschen Taschenbuch-Verlag zwei gleichnamige Bände zum Thema. Versteht sich, dass es Überschneidungen gibt: Auf Bernhard und Karl May, Mörike oder Arno Schmidt, nebst anderen, kommen beide Autoren zu sprechen. Auch auf Jean Paul, Hochfrankens poetisches Genie.

Während Braun die Beschreibung der Häuser nutzt, um mit essayistischem Schwung die Lebenswege der Dichter zu beleuchten, hält sich Bodo Plachta - der auf seinen Kollegen mit keinem Wort zu sprechen kommt - eng an die Baulichkeiten. Bei Jean Paul fallen die Ortsnamen Wunsiedel und Hof, Joditz oder Schwarzenbach nicht. Dafür sucht der Autor den Erzähler in Bayreuth auf: in der heutigen Friedrichstraße 5, zweiter Stock, nach sechs Umzügen "mit seiner Familie (samt Hund, Eichhörnchen und Laubfrosch für die Wettervorhersage)". Dort war sein Zimmer, einem Zeitzeugen zufolge, "so klein und vollgekramt, dass nur ein Gang in der Mitte bleibt, wo zwei Menschen gehen können". Und natürlich begleitet Plachta den nimmermüden Schreiber in die bis heute von Literatur-Touristen gern aufgesuchte "Rollwenzelei"; zur pausenlosen Arbeit zapfte ihm die Wirtin stets jenes Bayreuther Bier, das allein "meiner Gesundheit zuträglich und zu meiner Arbeit unentbehrlich ist". Jean Pauls "vorletzte Ölung": Seine Frau monierte, die "Einfahrt eines Bierfasses" mache den Gatten "seliger als der Eintritt eines Kindes in die Welt".

Weitgehend nüchtern, aber nicht ohne farbenkräftig charakterisierende Anekdoten stellt Plachta seine Protagonisten an ihren Platz. So repräsentativ wählte er sie, dass sein Buch mit den Ausflügen in vielerlei Städte oder aufs Land, in Arbeitszimmer, Bücherstuben und an Schreibtische gut dazu taugt, dem Interessenten ein "Eingangsportal in die Literatur zu öffnen", dort, wo die Idee von Künstlertum und das rein Menschliche einander ergänzend zusammenkommen. Schon Heinrich Heine, der in seinen Pariser Jahren nach 1831 das Haus Molières aufsuchte, gab zu: "Ich ehre große Dichter und suche überall, mit religiöser Andacht, die Spuren ihres irdischen Wandels. Das ist ein Kultus."

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Bodo Plachta: Dichterhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Reclam-Verlag, 352 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro.