Darf man dem glauben, der eine begrenzte, nämlich „rein friedliche Nutzung der Kernkraft“ verspricht? Oder macht sich einer, der Zugriff verlangt auf die unaufhaltsame Gewalt des gespaltenen Atomkerns, grundsätzlich als potenzieller Gewalttäter verdächtig? Dem Staatschef des Irans werfen die Vereinigten Staaten mitsamt der freien Welt dergleichen zur Zeit vor. Wie aber stand und steht es um die Amerikaner selbst? „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ führte der deutsche Autor Heinar Kipphardt 1964 eine Gerichtsverhandlung auf offener Bühne. In heißen Kriegszeiten hat Oppenheimer mit dem US-Verbündeten Sowjetunion sympathisiert, was ihm während des Kalten Kriegs und der McCarthy-Ära zur Falle wird. Und er organisierte den Bau der Hiroshima-Bombe; nun aber, vor der weit apokalyptischeren Energie der Wasserstoffbombe, schreckt er zurück. Nicht Menschen, nur Argumente verhandeln in Kipphardts Stück die „Sache“ Oppenheimers. Der „szenische Bericht“ ist ein Schwall aus Worten, sperriges Hörgut im Schaukasten der Bühne, auf der, statt Figuren, sich Rollen aneinander reiben. Seit vierzig Jahren gilt der Text als Wegmarke des Dokumentartheaters: Eine gleichsam kriminalistische Ermittlung soll Krieg, Terror, Grauen nüchtern aufarbeiten, weil so viel Unfassbarkeit jede Verbrämung mit erfundener Handlung zu sprengen scheint. Originaltöne, -protokolle, -dokumente liegen den Dialogen und Stellungnahmen zugrunde. Theater als Prozess: als Verlauf, Handlung – und als Verhandlung, Gerichtssituation. Sie, in Form des Verhörs, ist eine Urzelle des Dramatischen seit je, worauf sich Heinar Kipphardt, der gestern vor 25 Jahren starb, in seinem Atomkraft-Rechtsstreit besann (wie auch im späteren „Bruder Eichmann“ um den Chefbürokraten der nationalsozialistischen Judenvernichtung). Seit der Uraufführung des „Oppenheimer“ änderten sich die dramaturgischen Mittel, auch das Theaterpublikum. Kipphardts Argumente freilich, viele von ihnen, stimmen noch jetzt: Die Waffen und Gewalten, von denen bei ihm die Rede ist, warten weiter.