Der französische Schriftsteller Alfred Jarry (1873 bis 1907) führte ein Außenseiterdasein. Er war bemüht, die Grenze zwischen Realität und Literatur zu verwischen, neigte zu selbstzerstörerischem Alkohol- und Drogenkonsum und erging sich in antibürgerlichen Exzessen. Mehr und mehr nahm er das Gebaren seiner literarischen Hauptfigur an; die hieß "König Ubu" und war der Anti-Held eines später von den Surrealisten und Dadaisten gefeierten grotesk-skandalösen Theaterstücks. Bis heute muss Jarry immer wieder als Pate für chaotische, oft alberne Kunstaktionen herhalten. Ebendies aber verabscheut der Österreicher Rainer Ganahl, der zurzeit im "tresor des Bank Austria Kunstforums" in Wien eine Ausstellung mit dem Titel "I wanna be Alfred Jarry" (Ich möchte Alfred Jarry sein) präsentiert. Im Katalog zur Schau (Verlag für moderne Kunst) betont der Künstler, der seit 1990 in New York zu Hause ist, dass er nie geraucht oder getrunken habe und überdies ein "halbwegs organisiertes Familienleben" führe. An Jarry interessiert ihn vor allem dessen Begeisterung für das Fahrrad, das seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Mobilität der Massen revolutionierte und für die Avantgarde das mechanisierte moderne Zeitalter verkörperte. Ganahl, ebenfalls ein Fahrrad-Enthusiast, entwarf für seine Ausstellung ein anspielungsreiches Fahrrad-Panoptikum, in dem so seltsame Sachen wie der hier abgebildete "Bike Tower" zu sehen sind. Manche seiner Referenzen an Jarry - und an Marcel Duchamp - sind spaßig, andere zeitkritisch. Unter anderem wird Jarrys Vision von superpotenten gedopten Fahrradsportlern aufgegriffen. Aber Ganahl macht auch Ernst: In einem "Fahrrad-Manifest" schlägt er den Bogen zu brisanten Fragen ökologischer Nachhaltigkeit und umweltschonender Mobilität. Seine Forderung nach Vorfahrt für Radler erhebt er weder als Aktivist noch als künstlerischer Visionär, sondern als Bürger und Stadtmensch. "Ich bestehe bestenfalls auf dem", sagt er, "was sowieso unvermeidlich ist."