Herausforderungen mit Risiken für Leib und Leben zogen ihn zeitlebens an: der Kampf Mann gegen Mann (als Krieger und Boxer) und Mann gegen Kreatur (beim Stierkampf); bei Safaris in Schwarzafrika legte Ernest Hemingway auf Großwild und Raubzeug an; zwei Flugzeugabstürze überlebte er. In seiner Novelle „Der alte Mann und das Meer“ beschreibt er, wie ein greiser Fischer über den größten Fisch seines Lebens triumphiert, auch wenn ihm der Fang am Ende verloren geht. Der Ladung Schrot, die sich der von Erfolgen verwöhnte, von künstlerischen und privaten Krisen gebeutelte Autor am 2. Juli 1961 nach einem heiter-geselligen Abend in den Mund schoss, waren im April zwei Selbstmordversuche vorausgegangen. Schwere Depressionen zermürbten Hemingway, Isolationsgefühle, Verfolgungsängste, Schreibhemmungen. Dass seine physischen Kräfte nachließen, ertrug der 61-Jährige schwer; hinzu kam, dass er sich nicht nur seelisch, auch geistig erschöpft fühlte. „Wenn ich nicht mehr so leben kann, wie ich will, ist es mir unmöglich, zu leben“, hatte er Jahre zuvor klargestellt. Bis heute hat ihn niemand vom Denkmal stoßen wollen, dass die Nachwelt ihm als dem Vater der modernen Kurzgeschichte errichtete; unzweifelhaft überlebten seine besten Schöpfungen, als von unzähligen Nachfolgern und Nachahmern genutzte Inspirationsquelle eines zeitgemäß sachlichen, zügigen, indes nicht fühllosen Stils. Fraglich blieben hingegen viele Umstände seines Lebens und Sterbens. Am Sonntag können Zuschauer des Kulturfernsehens Arte – nach der (um 20.40 Uhr beginnenden) Kinofassung seines Hauptwerks „Wem die Stunde schlägt“ – den „Fluch der Hemingways“ ergründen: Ab 22.55 Uhr führt der in Italien lebende Enkel des Schriftstellers, John, zu den Schauplätzen seiner Familiengeschichte. Den Nachkommen hinterließ der Nobelpreisträger ein heikles Erbe, ein tragisches; hat doch sein Tod, als bewusster Akt der Freiwilligkeit wohlvorbereitet ins Werk gesetzt, sie um einen Teil ihrer eigenen inneren Freiheit gebracht.