Die schmalen Bändchen gleichen einer Versuchung, die zum Lesen verführt. Über ihre ansprechende optische und haptische Edition laden die Lesehefte dazu ein, in ihnen zu blättern, in ihnen zu versinken und schließlich in ihnen zu lesen. Die Rede ist von „Oberfranken liest“, einer gemeinsamen Literatur-Initiative des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg, oberfränkischer Gymnasien und Oberfranken offensiv mit dem Ziel, junge Leserinnen und Leser an die Literatur der Gegenwart heranzuführen. 13 Textbände sind seit 2001 publiziert worden. Sie geben Einblick in das literarische Schaffen deutschsprachiger Autorinnen und Autoren, die Stipendiaten der Villa Concordia in Bamberg waren.

„Wenn ich ein Gedicht schreibe, kann ich am genauesten denken, am tiefsten fühlen und über beides am freiesten sprechen. Oder am tiefsten denken, am freisten fühlen, am genauesten sprechen.“ Einem Leitgedanken für alle Texte kommen diese Überlegungen von Guntram Vesper gleich, die sich in der Einführung zum ersten Band „Der Riss durch die Erinnerung“ finden. Schreiben als eine besondere Form der Empfindung und des Ausdrucks.

So sind diese Lesehefte mehr als nur eine Auswahl fiktionaler Texte; die Autorinnen und Autoren formulieren darin auch ihre Gedanken über den Prozess des Schreibens. So sammelt Guntram Vesper in einem „blauen Notizbuch“ Wörter, und diese „inzwischen zweieinhalbtausend Gedankenscherben können ein Gedicht auslösen, können der Arbeit weiterhelfen, mich einen Schlussvers finden lassen.“

In Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern des Hofer Jean-Paul-Gymnasiums entstand der Auswahlband „Schrauben, aha“ mit Texten von Uwe Herms. Darin fasst der Autor unter anderem seine Sorge um die Existenz eines Gedichtes zusammen. In „Krakel Bettelkind“ schreibt er: „Keiner sieht euch. Keiner will euch lesen. Kein Optiker bringt Auferstehung herbei.“

Seine grundlegenden Gedanken zur Anordnung der Texte in dem Auswahlband „Niemand würde schneller laufen als wir“ gibt Michael Wildenhain dem Leser einleitend an die Hand: „Geteilt in drei größere Kapitel, die jeweils einem historischen Abschnitt des letzten Jahrhunderts entsprechen, versammelt das Heft Ausschnitte aus meinen Büchern (vor allem aus denjenigen, die mir besonders nahe sind), in denen die fragliche Zeit Gegenstand des Romans oder der Erzählung ist.“

Die 13 Lesehefte zeichnen ein dichtes, abwechslungsreiches Bild der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur. Darunter auch die Texte der jungen Autorin Mariana Leky. In dem Leseheft „Mit Vergnügen“, an dessen Textauswahl das Gymnasium Pegnitz mitwirkte, schlägt die 1973 geborene Schriftstellerin einen leichten, frischen Ton an, mit dem sie fraglos junge Leser für sich gewinnen kann.

An der Textauswahl des elften Bandes von „Oberfranken liest“ wirkten die Schüler des Schiller-Gymnasiums Hof mit. Im „Wörterbuch des Körpers“ nimmt der Autor Peter Truschner Bezug auf die aktuelle politische Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Text „Bagdad-Theater 2003 präsentiert: George Bush II. – frei nach William Shakespeare“ ist eine scharfzüngige Analyse der amerikanischen Außenpolitik. Im vergangenen Jahr erschien „Glückskekse“ von Franziska Gerstenberg, und die Textauswahl der 1979 in Dresden geborenen Autorin bildet vorerst den Abschluss einer Literaturreihe, die beides hat: anspruchsvolle Inhalte in bibliophiler Gestaltung.