„in der ersten zeile steht ein A und noch ein A es sind die beiden A der ersten zeile in der zweiten zeile steht ein A und noch ein A es sind die beiden A der ersten zeile aber untereinander vertauscht.“ So beginnt eines der „Gedichtgedichte“, die Oskar Pastior Anfang der 70er Jahre als neue Gattung in die Literatur einführte, ebenso wie die „Hörichte“ und die „Fleischeslüste“. Im vergangenen Jahr wurde dem Autor, er war fast 79, endlich der Georg-Büchner-Preis zuerkannt, der ihm aber nur noch posthum verliehen werden konnte. Denn wenige Tage vor der Zeremonie, während der Frankfurter Buchmesse, war Pastior gestorben. Auf seinem Schreibtisch in Berlin lag das fertig getippte Manuskript seiner Dankesrede, die dann von dem Verleger Michael Krüger vorgetragen wurde. Und neben dem Telefon fand sich das minutiös ausgearbeitete Konzept für eine große öffentliche Lesung am Tag vor der festlichen Verleihung. Für eine Rundfunk-Produktion, die auch auf CD vorliegt (Hörverlag, 19,95 Euro), ist diese Lesung jetzt unter dem Titel „Die letzte Lesart“ rekonstruiert worden, was möglich war, weil jedes der vorgesehenen 43 Gedichte in einer Originalaufnahme des Autors ausfindig gemacht werden konnte. Die Zwischentexte ersetzte der Literaturwissenschaftler Klaus Ramm durch eigene Randbemerkungen. Unter anderem weist er auf Pastiors „fleischliche Lust am Leib der Sprache“ hin, die unmittelbar vor Ohren führt, dass Poesie keiner grundlegenden Rechtfertigung bedarf. Der 1927 in Hermannstadt (Rumänien) geborene Autor, der fünf Jahre in einem sowjetischen Zwangsarbeitslager verbrachte und Rundfunkreporter war, ehe er 1968 nach Deutschland kam, stellte in seinen Gedichten etwas her, was es bis dahin nicht gab. Seine Texte sollten helfen, das normative Denken aufzuweichen; das auf den Transport von Sinn und Bedeutung bedachte Reglement von Grammatik und Semantik war Pastior egal. Übrigens war er ein gern gesehener Gast bei Claus Henneberg und seiner Frau auf der Haidthöhe in Hof. Dort verbrachte der Sprachkünstler seinen letzten Sommerurlaub: Zusammen mit Hennebergs Schwiegersohn Ernest Wichner, der ebenfalls aus Rumänien stammt, arbeitete er an einer Übersetzung.