Vor gut zwanzig Jahren hatte ein amerikanischer Spielfilm mit dem Titel "Der Club der toten Dichter" (Dead Poets' Society) internationalen Erfolg. Mit einem Pendant überrascht jetzt die bildende Kunst. Die in Berlin lebende Russin Julia Kissina, deren Arbeiten stets zu tun haben mit Fiktion und Provokation, gründete einen "Klub der toten Künstler". Den Impuls dazu erhielt sie vom sowjetischen Komitee für Staatssicherheit, von dem sie als 16-Jährige angeworben worden war. Damals nahm sie an Telepathie-Experimenten, Geisterbeschwörungen und anderen übersinnlichen Aktivitäten teil, die im Kalten Krieg zum Sieg der Sowjetunion beitragen sollten. Daran anknüpfend führte Kissina in ihrem Berliner Klub spiritistische Séancen durch, bei denen die anwesenden Künstler tote Kollegen "befragten". Bevorzugte Gäste in der Reihe "Dialoge mit Klassikern" waren solche, "die uns die modernistische Suppe eingebrockt haben", allen voran Marcel Duchamp, der Ahnherr der Konzeptkunst, gefolgt von Kasimir Malewitsch und dem Dadaisten Hugo Ball. Protokolle der "Gespräche", ergänzt durch zahlreiche Abbildungen, liegen nun in dem Buch "Dead Artists' Society" (Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 120 Seiten, 19 Euro) vor. Die Lektüre ist vergnüglich, denn natürlich empfiehlt es sich, die Sache nicht ernst zu nehmen. Duchamp teilt mit, dass das Leben keinen Sinn habe, dass es keinen Gott und keine Ewigkeit gebe, und "selbstverständlich" sei Schach besser als Kunst. Wirklich interessant ist das Nachwort, das Wolfgang Ullrich unter dem Titel "Kunst als Glaubenssache" verfasste. In der Moderne, schreibt er, werde der Glaube des Kunstpublikums fortwährend auf die Probe gestellt, denn verlangt werde, etwas als Kunst anzuerkennen, was als solche nicht zu erkennen sei. Wer hier mitmache, verkörpere in mustergültiger Form die im Diskurs der christlichen Theologie immer wieder beschworene Haltung des "credo, quia absurdum" (Ich glaube, weil es unvernünftig ist).