Weil er, der deutsche Protestant, mit einer italienischen Katholikin verheiratet war, setzten die Priester Roms der Letzteren zu, sie möge darauf dringen, dass der Gemahl sich "bekehre". Dem wurde das endlich "zu bunt, und er ließ den Pfaffen in sein Studio kommen, wo er ihm mit geladenem Gewehr entgegentrat und ihm das Versprechen abzwang, seine Ehe nicht weiter zu stören". So ungehobelt konnte Johann Christian Reinhart auf Einmischungen reagieren - ein Klassizist, künstlerisch seinem bedeutenden Lehrer Adam Friedrich Oeser und der Devise von der "edlen Einfalt" und "stillen Größe" verpflichtet, zugleich aber derb zu jeder Grobheit und stets zum Feiern bereit. Als strammen Trinker schätzte ihn sein Kreis, als Genießer der "Brunst" und anderer Lustbarkeiten wie einer guten Küche, dem Wandern, der Jagd.

Seine Freunde haben in Briefen darüber berichtet. In solchen Lebenszeugnissen von Reinharts eigener und von fremder Hand, in Biografien (etwa der von Otto Baisch aus dem Jahr 1888) und in Inge Feuchtmayrs grundlegendem Werkkatalogen von 1975 sah Dieter Richter sich sorgsam um, um auf den Lebenslinien des großen Künstlers "Von Hof nach Rom" zu reisen.

Hof verbindet den Autor mit seinem Gegenstand: Der in Bremen lebende Literaturhistoriker Richter ("Der Süden, Geschichte einer Himmelsrichtung") kam 1938 in der Stadt zur Welt, in der auch Reinhart am 24. Januar 1761 geboren wurde und mit sehr mäßigem Erfolg das Gymnasium besuchte. Von hier aus führte sein Weg über Leipzig, Dresden, Meiningen, über kürzere Lieb- und dauerhafte Freundschaften - wie der zu Friedrich Schiller - in die Metropole der Kunst. Hier hatten die "Deutschrömer" ihre eigene Künstlerrepublik etabliert, mit Reinhart als einem der führenden Köpfe.

Viel versteht der Autor von Reinharts Schaffen und Prinzipien. Seine bedeutendste grafische Schöpfung, die "Mahlerisch radirten Prospecte von Italien" stellt sein - reich illustriertes Buch - vor. Ebenso nachdrücklich betont er den Rang des Künstlers als Landschaftsmaler und beschreibt auch hierbei sein Hauptwerk, die "Vier Ansichten Roms von der Villa Malta", die er im Auftrag des Bayernkönigs Ludwig I. schuf. Reinharts klassizistisches Ideal umreißt der Autor: die "einsame, immer ein wenig ,deutsch' wirkende Landschaft mit den mächtigen, ausladenden Bäumen", die "immer auch Erinnerungslandschaft ist und in sich Spuren einer großen Vergangenheit trägt, wie er sie bereits als Schüler auf dem ,Höfischen Gymnasium' kennengelernt hatte".

Und Richter versteht auch etwas vom Erzählen. So staffiert er, ohne die Grundlage sicherer Quellen zu verlassen, den Ereignisgang mit Anekdoten und Zitaten, mit Farben und Lebendigkeit aus. Die Mutter lässt er zu Wort kommen, namhafte Gefährten aufmarschieren, Zündstoff entflammen wie etwa des Künstlers verdammendes Urteil über Kritiker, auch jene, die's gut mit ihm meinten. Und Richter hält die Verbindung "von Hof nach Rom" und zurück unter leichter Dauerspannung. Denn Reinhart gedachte gern und gut der Stadt seiner Herkunft. Noch auf seinem letzten großen Gemälde, der 1846 - zwei Jahre vor seinem Tod - entstandenen "Erfindung des korinthischen Kapitells durch Kallimachos", trug der 85-Jährige in nicht ganz schulgemäßem Latein die Signatur ein: "I. C. Reinhart curiae regnitianus ..." - ein Maler in Rom, aber einer "aus Hof".

Dieter Richter: Von Hof nach Rom - Johann Christian Reinhart. Transit-Buchverlag, 144 Seiten, gebunden, 14,80 Euro.