Wohl jeder, der Bücher liebt, kennt das Problem: Er kauft mehr, als er lesen kann. In seinen Regalen stehen die Bände geordnet neben- oder genialisch durcheinander und schinden bedeutsam Eindruck. Ein so ausstaffiertes Wohn- oder Arbeitszimmer, eine wohlbestückte Privatbibliothek stellt dem Bewohner das Zeugnis aus, ein informierter Kopf, ein kultivierter Zeitgenosse zu sein; gelegentlich auch dient die derart inszenierte Literatur als Potemkinsches Dorf, als kunstvolle Attrappe, hinter der sich ein eher schlichtes Gemüt versteckt. Wer's indes ernst meint mit dem Lesen, wer Bücher nicht bloß einreiht, auch zur Hand nimmt, der setzt sich beständig selbst unter Druck: kommt er doch mit dem Lesen nie nach. Trösten darf er sich damit, dass er durch seine Zukäufe einer Branche einen Dienst erweist, die sich seit Jahren schwer tut. Am heutigen 23. April will der jährlich wiederkehrende "Welttag des Buches" das Lesen, die Leser, das stets greifbare und doch letztlich unbegreifliche Wunder des bedruckten Papiers feiern. Lesen lohnt sich, postulieren die bundesweit etwa 3500 Buchhändler, die sich heute an einschlägigen Aktionen beteiligen - so viele wie noch nie. Ein allerliebstes Büchlein über den Umgang mit Büchern brachte der Diogenes-Verlag 2008 heraus: "Warum lesen? Warum nicht?", fragt es im Titel und steckt voller trefflicher Antworten. Jean Pauls zärtliches Diktum findet sich darin, wonach Bücher "nur dickere Briefe an Freunde" sind. Auch fehlt nicht der Hinweis Alfred Polgars, der sympathisch relativiert, welch zwiespältiges Ding so ein "gutes Buch" sei: "Schriftsteller, die ununterbrochen den Tiefgang suchen, kommen mir vor wie Taucher in einer Badewanne." Natürlich bleiben einem beim Lesen wie im Leben unangenehme Erfahrungen nicht erspart. Bei Büchern aber lassen sie sich ungleich leichter verkraften - wenn man sich an John Osborne hält: "Auch das schlechteste Buch hat seine gute Seite: die letzte." Und Gustave Flaubert riet knapp: "Lesen Sie, um zu leben!"