Die gesamte amerikanische Literatur stammt von einem Buch von Mark Twain, genannt "Huckleberry Finn", ab. Vorher gab es nichts. Seitdem gab es nichts, was dem gleichkommt.

Ernest Hemingway

Seine berühmtesten Bücher - eben "Huckleberry Finns Abenteuer" (1884), "Leben auf dem Mississippi" (1883) und, sieben Jahre zuvor erschienen, "Tom Sawyers Abenteuer" -, die vom Leben am großen Fluss erzählen, schreibt Mark Twain an der Ostküste, als schon geachteter und wohlhabender Reiseschriftsteller. Als Samuel Langhorne Clemens wurde er am 30. November 1835 im Mississippi-Örtchen Florida geboren. Die Erinnerung an die Jahre seiner Jugend im heißen Süden, in Missouri am großen Fluss, den er ab dem Alter von 22 Jahren sogar als Lotse tagein, tagaus befuhr, lassen ihn nie los und beflügeln seine Schriftsteller-Fantasie.

Allerdings sind seine Geschichten, so fiktiv er sie auch halten mochte, stets gespickt mit bitteren, scharfsinnigen Wahrheiten. Schon als Journalist für verschiedene Zeitungen im ganzen Land prangert er vor allem religiöse Heuchelei, Polizeiübergriffe auf Minderheiten und betrügerische Senatoren scharfzüngig an; die "Geldlust" der Gesellschaft bezeichnet er als "Amerikas Krankheit". Als Schriftsteller enttarnt er den alltäglichen Rassismus, und seine Helden lässt er die Heuchelei und Verlogenheit der amerikanischen Gesellschaft durchschauen.

Satire, Witz und Selbst-Ironie

Dabei gelingt es ihm immer, den Humor nicht außen vor zu lassen. Sein erstes wirklich erfolgreiches Buch, "Die Arglosen im Ausland" aus dem Jahr 1869, strotzt geradezu vor witzigen, satirischen und auch selbst-ironischen Beobachtungen, über die sich der Leser ausschütten möchte vor Lachen. Dieser Bericht, in dem er in teils fiktiven Erzählungen die Erlebnisse seiner fünfeinhalbmonatigen Reise nach Frankreich, Italien, Afrika, Spanien, Palästina und der Türkei verarbeitet, macht ihn zu einem der höchstbezahlten und auflagenstärksten Autoren seiner Zeit.

Bevor er vom Schreiben leben kann, hat Samuel Langhorne Clemens schon eine ganze Reihe von Karrieren hinter sich. Als Elfjähriger, der nach dem Tod des Vaters die Familie unterstützen muss, beginnt er in Hannibal/Missouri eine Lehre als Schriftsetzer und schreibt bald erste Artikel für die Tageszeitung seines Bruders. Er arbeitet als Drucker in New York, Philadelphia, St. Louis und Cincinnati und lässt sich schließlich zum Flusslotsen auf einem Mississippi-Dampfer ausbilden. Zwei Wochen lang nimmt er auf der Seite der Konföderierten für den Süden am amerikanischen Bürgerkrieg teil, dann quittiert er den Dienst und geht mit seinem Bruder in den Westen. In Virginia City/Nevada versucht er sich zunächst als Goldgräber, wechselt von dem schweren und schlecht bezahlten Job aber bald wieder zur Zeitung. Hier beliefert er seine Leser mit teils so fantasievollen, an Verleumdung grenzenden Klatschgeschichten aus den Saloons, dass er einmal sogar fluchtartig die Stadt verlassen muss.

Zwei Faden Wassertiefe

In jenem Jahr nimmt er endlich ernsthaft eine Schriftsteller-Karriere ins Visier und veröffentlicht unter dem Pseudonym Mark Twain. Dieser Name ist eine Reminiszenz an seine Lotsenzeit: Twain bedeutet in der Seemannssprache "Zwei Faden" Wassertiefe.

Mark Twain, der 1894 durch Fehlinvestitionen fast sein gesamtes Vermögen verliert und daher auf eine Welt-Lesereise geht, um Geld zu verdienen, hält sich zweimal in Deutschland auf: zunächst während seiner zweiten Europa-Reise 1878, als ihn ein dreimonatiger Aufenthalt in Heidelberg und Umgebung regelrecht begeistert. Das hindert ihn allerdings nicht daran, den folgenden Reisebeschreibungen den witzig-verzweifelt-bissigen Aufsatz "Die schreckliche deutsche Sprache" anzuhängen. 1891 kommt er erneut nach Europa, bleibt neun Jahre und geht auf Vortragstournee, um seine Schulden abzuzahlen. Einige Monate wohnt er in Berlin, das ihm so gut gefällt, dass er später seine beiden Töchter zum Studium hinschickt.

Sein Leben steht, zumindest nach damaligem Verständnis, eigentlich unter keinem guten Stern - oder besser Kometen: Als der Mann, der noch heute eine literarische Legende ist, geboren wird, ist gerade der Halley'sche Komet zu sehen, ein ausgewachsener Unglücksbote. Und als Mark Twain heute vor hundert Jahren, am 21. April 1910 stirbt, kehrt der Komet wieder, als wollte er ihn abholen. Er selbst kommentiert das so: "Der Allmächtige hat ohne Zweifel gesagt: Hier sind diese beiden komischen Käuze. Sie sind zusammen gekommen, sie müssen zusammen gehen."