"Milton zu verdeutschen, sagte mir ein britscher Kollege, sei sicher nicht leicht; sie hätten schon Mühe, ihn ins Englische zu übersetzen", berichtet Hans Heinrich Meier in seinem ausführlichen Nachwort zu seiner deutschen Übersetzung von "Paradise Lost" ("Das verlorene Paradies") von John Milton (1608 bis 1674).

Der Schweizer Anglist Meier hatte 1969 bei Reclam die einzige moderne Übertragung des Epos' ins Deutsche vorgelegt (nach zahlreichen im 18. und 19. Jahrhundert); aus Anlass des 400. Geburtstages von John Milton am 9. Dezember ist im Verlag Philipp Reclam jun. nun eine neue, gebundene Ausgabe erschienen. Bereichert wird diese Fassung durch zwölf Illustrationen des Londoner Malers und Grafikers William Blake (1757 bis 1827), mit denen er, zutiefst beeindruckt von "Paradise Lost", einzelne Szenen bildnerisch umgesetzt hat.

Eine Dichtung in Versen, wenn auch reimlos (Blankvers), - kaum jemand nimmt sich heute noch die Zeit, solche Literatur zu "konsumieren". Im Fall des "Verlorenen Paradieses" lohnt sich jedoch eine Ausnahme. Miltons Epos von 1667, seine erzählerische Dichtung also, schildert in über 10 500 Versen, wie der Mensch das Paradies verliert. Dazu berichtet der Dichter rückblickend von der Vorgeschichte, wie nämlich der Engel Satan aus dem Paradies vertrieben und in die Hölle gestürzt wurde; andererseits gewährt er einen Ausblick auf die künftige Menschheitsgeschichte und die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe.

Milton arbeitete in dem Werk, das neben dem Versdrama "Samson Agonistes" zu seinen bedeutenden Alterswerken zählt, aus seiner tiefen puritanischen Lebenseinstellung heraus; sie pflegte er sein Leben lang und machte sie auch öffentlich. In der Dichtung wie in seiner Prosa; unter anderem verfasste er 1644 die Streitschrift "Areopagitica", eine Schrift gegen die Zensur, mit der er zu einem der Wegbereiter der Pressefreiheit wurde. Seine unverrückbare Überzeugung brachte ihn während der Regierungszeit Cromwells zu Macht und Ansehen eines im Staatsdienst stehenden Auswärtigen Sekretärs; mit der Restauration der Stuarts 1660 aber auch ins Gefängnis und in finanzielle Not. Als die Royalisten, gegen die er in so vielen Schriften gewettert hatte, wieder das Ruder übernommen hatten, wurde er verfolgt, seine Bücher wurden von einem Henker verbrannt.

Darauf zog sich John Milton völlig ins Privatleben zurück, was seiner literarischen Arbeit nur zugute kam. Er griff den Jugendtraum wieder auf, ein Epos zu verfassen; doch nicht der Artus-Stoff, wie einst geplant, sollte es nun sein, sondern die Verbannung Luzifers und der Menschen aus dem Paradies.

Längst konnte der Dichter seine Werke da schon nicht mehr eigenhändig niederschreiben - er war 1651 völlig erblindet; ein Schicksal, das er selbst seinen unermüdlichen Studien von frühester Jugend an zuschrieb. Hans Heinrich Meier schreibt dazu: "... war er zum Vorlesen und Schreiben nach Diktat angewiesen, auf bedienstete Gehilfen, darunter bedeutende Freunde." Ein Umstand, der Miltons geistige Leistung allerdings in keiner Weise beeinträchtigte. Nicht zuletzt wegen seines "Paradise Lost", dem er übrigens 1671 das Kurzepos "Paradise regained" ("Das wiedergewonnene Paradies") folgen ließ, gilt er bis heute als der englische Homer.

John Milton: Das verlorene Paradies. Verlag Philipp Reclam jun., 530 Seiten, zwölf Illustrationen, gebunden, 29,90 Euro.