Sie heißen Interglossa oder Volapük; aber Esperanto ist die namhafteste von allen. Die Idee einer Hilfs- und Zusatzsprache, in der sich Menschen aller Nationalitäten leicht und eindeutig unterhalten und durch die sie einander näher kommen können, reizt schon lange Linguisten, Literaten, Diplomaten. Nicht weniger als 500 solche künstliche Universalidiome sollen ersonnen worden sein; keines setzte sich nennenswert durch. Löblich nach Völkerverständigung, im buchstäblichen wie im höheren Sinn, streben sie. Niemand drückte das gültiger aus als der polnische Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof mit seinem Pseudonym „Dr. Esperanto“: der Hoffende. Unter jenem Namen legte er 1887 den Plan einer synthetischen Sprache vor, deren Vokabeln zu zwei Dritteln vom Lateinischen und seinen romanischen Nachfolgern, zum verbleibenden Teil vom Deutschen und Englischen abgeleitet sind; gerade mal sechzehn grammatische Regeln reichen aus, die so eisern gelten, dass es keinerlei Ausnahmen gibt. So schlicht, gerade und unmissverständlich, erscheint Esperanto vielen Zweiflern kaum geeignet für die Doppeldeutigkeit und Nuancierungskunst der Poesie. Für den politischen, geschäftlichen und nicht zuletzt privaten Austausch aber könnte es wohl taugen. Der gestrige Montag vor hundert Jahren gilt als Gründungsdatum des Weltbundes „Universala Esperanto-Asocio“. Nach dem Ersten Weltkrieg, inspiriert vom Streben nach Versöhnung, lehrten Schulen wie Bildungsstätten für Erwachsene das sinnreich konstruierte, für Pazifismus und Neutralität stehende Kommunikationsmittel. In der zunehmend geteilten Völkerwelt des Kalten Kriegs indes einigte sich der Westen auf Englisch, der Osten auf Russisch als Universalsprache. Darüber, wie viele Idealisten weltweit heute Esperanto sprechen, schwanken die Angaben weit zwischen einer halben und vier Millionen. Doch gibt es prominente Verfechter: Wenn etwa Papst Johannes Paul II. an Weihnachten in Rom „die Stadt und den Erdkreis“ grüßte, vergaß er das virtuelle und verstreute Volk der Esperantisten nicht.