Wem heutzutage ein Armutszeugnis ausgestellt wird, dem wird Unfähigkeit bescheinigt. Vor 227 Jahren, als Rektor Kirsch vom Hofer Gymnasium dem Absolventen Johann Paul Friedrich Richter das Testimonium Paupertatis schrieb, galt das Gegenteil. Für den Achtzehnjährigen aus Schwarzenbach/Saale war es ein Glück; eine Voraussetzung dafür, dass er zum Studium zugelassen wurde – im Ausland, in Leipzig. „Er ist also im höchsten Grade würdig, jedem, der dies liest, und besonders den wohllöblichen Professoren der berühmten Universität Leipzig aufs wärmste empfohlen zu werden“, heißt es darin unter anderem.

Wenn der junge Paul, der sich später als Schriftsteller Jean Paul nennen sollte, auch begierig war, zu studieren, so ging er doch mit gemischten Gefühlen aus dem beschaulichen Schwarzenbach, wo die vaterlose Familie damals lebte, in die große Stadt. Zeugnis von seinen Lebensumständen als Studiosus ohne Beziehungen, von den Menschen, mit denen er es zu tun hatte, aber auch von seinen Gedanken und seinem Lehrstoff geben Briefe, die er zwischen 1781 und 1784 aus Leipzig schrieb. Unter dem Titel „Hungerjahre in Leipzig. Briefe aus der Studentenzeit 1781 – 1784“ sind diese Dokumente aus Jean Pauls eigener Hand in einem schmalen Buch im Leipziger Lehmstedt Verlag erschienen.

Sie zeichnen ein Bild von dem Studentenleben aus dem Blickwinkel eines buchstäblich am Hungertuch nagenden Jean Paul, der sich mit Witz und (Selbst-)Ironie durchs Leben schlägt und fest entschlossen ist, nichts anderes zu werden als ein Schriftsteller. Auf dem Weg dahin – das ist den Briefen unter anderem an seine Mutter sowie an seinen alten Gönner, den Pfarrer Erhard Friedrich Vogel in Rehau, zu entnehmen – hört er Vorlesungen in Theologie, aber auch über Logik und Metaphysik, Ästhetik, Moral sogar über Geometrie und Trigonometrie. Vor allem aber beschäftigt sich Jean Paul nun mit Sprachen. Des Griechischen und des Lateinischen schon von Haus und Schule her kundig, lässt er in seine Schreiben mit ihrer ganz eigenen Orthografie (die von den Herausgebern weitgehend im Original belassen wurde) immer gern Zitate in diesen Sprachen einfließen. Nun lernt er die englische Sprache, ließt Pope und Young. Daneben gehören die Briefe aber auch zu den interessantesten Zeugnissen aus der Geschichte des deutschen Universitätslebens im 18. Jahrhundert überhaupt.

Jean Pauls Studentenleben endet am 12. November 1784: An diesem Tag flieht er aus Leipzig vor seinen Gläubigern, die ihm mit Haft drohen, da er seine Schulden nicht bezahlen kann. Selbst sein Mantel ist geborgt. Kerstin Starke

Jean Paul. Hungerjahre in Leipzig. Lehmstedt Verlag, gebunden, 152 Seiten, 19,90 Euro.