Husum/Göttingen (dpa) - «Er ist ein Meister, er bleibt.» Diese Aussage traf Thomas Mann 1930. Er meinte den Schriftsteller Theodor Storm, der vor 200 Jahren, am 14. September 1817, in Husum zur Welt kam. Lebenslang habe Thomas Mann die Novellen und Gedichte Theodor Storms zu den prägenden Vorbildern seines eigenen Schreibens gezählt, sagt der Storm-Kenner und Literaturwissenschaftler Prof. Heinrich Detering von der Universität Göttingen. Durch seine Konzentration auf die Landschaften seiner nordfriesischen Heimat galt Storm vielen anderen indes als Heimatdichter. «Storm war lange Zeit unterschätzt.» Mann war einer der ersten, der erkannte, dass in dem Nordfriesen mehr schlummert.
Und das zurecht, findet Detering. Storm habe große Wirkung und Einfluss auf die deutsche Literatur bis in die Gegenwart hinein, vor allem auch auf die Naturlyrik. Er wirkt aber auch als Ideengeber für Geschichten. Detering erinnert etwa an Siegfried Lenz' «Deutschstunde», aber auch an die Krimireihe von Tilman Spreckelsen, in der Storm - der zeitlebens auch als Jurist gearbeitet hat - als pfiffiger Detektiv auftaucht. «Es ist eine Art Sherlock Holmes in Husum, mit vielen geistreichen Anspielungen auf Storms eigene Novellen und deren Helden», sagt Detering.

Auch Jochen Missfeldt, der 2013 bereits eine Storm-Biografie schrieb, hat sich in seinem neuen Roman wieder Storm gewidmet. In «Sturm und Stille» erzählt Missfeldt die Liebesgeschichte von Theodor Storm und Doris Jensen, seiner langjährigen Geliebten und späteren Ehefrau.
«Man findet immer wieder Storm-Reminiszensen», sagt auch der Direktor der Storm-Zentrums in Husum, Christian Demandt. Seit den 1960er, 1970er Jahren habe sich das Storm-Bild endgültig gewandelt. Und es gebe noch immer viele Menschen, die sich für Storm interessieren, sagt Demandt. Darunter auch viele Musiker.

Einer davon ist der Hamburger Stefan Gwildis. Er möge solche Geschichten wie den «Schimmelreiter», die wohl bekannteste Novelle Storms. Geschichten «über Menschen, die sich etwas vorgenommen haben und derb scheitern», sagte der Musiker im Frühjahr. Gemeinsam mit Sonja Valentin, Dramaturgin am Hamburger Ernst Deutsch Theater, hat er sich den Text vorgenommen und als gekürzte Lesung auf die Bühne gebracht. Als Schüler habe er das Buch «unglaublich sperrig» gefunden. Der Charakter von Hauke Haien aber, der mit dem Bau eines neuen Deichs gegen Naturgewalten ebenso wie gegen den Aberglauben der Dorfbewohner ankämpft, habe ihn fasziniert.

Auch heute noch ist die Storm-Lektüre in vielen Schulen Pflicht. Der «Schimmelreiter» werde noch immer in vielen Mittelstufen gelesen, sagt Demandt, selbst auch Lehrer an einem Husumer Gymnasium. Die Novelle sei wie Goethes «Faust» einer der Klassiker. «Wobei viele Storm-Forscher zurecht anmerken, dass der «Schimmelreiter» eigentlich zu komplex für die Mittelstufe ist.» Aber es gebe andere Texte, die für dieses Alter geeignet seien. «Die Lyrik ist etwas, was gewonnen hat.» Und Oberstufenschüler könnten an einigen Novellen Storms - etwa «Auf dem Staatshof» - mustergültig studieren, was den poetischen Realismus ausmache, sagt Demandt. Storm gilt als einer der bedeutenden Vertreter dieser literarischen Epoche.

Storm schrieb schon als Schüler Gedichte und kurze Prosa-Texte, bevor er zum Jura-Studium nach Kiel zog. Später kehrte er nach Husum zurück, wo er eine Anwaltskanzlei eröffnete. Als er trotz deutsch-dänischem Friedensschluss seine Dänen-feindliche Haltung beibehielt, durfte er nicht mehr als Anwalt arbeiten. Er zog ins Exil nach Preußen und kehrte erst nach dem Sieg der Deutschen über Dänemark 1864 in seine Heimatstadt Husum zurück, der er mit dem Gedicht «Die Stadt» ein literarisches Denkmal setzte.
Am 4. Juli 1888 starb Storm auf seinem Altersruhesitz in Hanerau-Hademarschen. Er war ein Mann mit vielen Facetten. Storm sei nicht nur ein melancholischer Mensch gewesen, gefangen im Geisterglauben, sondern auch ein «verschmitzter Hexenmeister», sagt Detering, der als Herausgeber des kürzlich erschienenen Bandes «Storm zum Vergnügen» genau diese Seite hervorheben will.

Welches Bild Storms sich in den kommenden Jahrzehnten durchsetzen wird, ist nach Ansicht des Direktors der Storm-Zentrums Demandt noch nicht entschieden. Es gibt verschiedene Perspektiven auf den großen Dichter aus der «grauen Stadt am grauen Meer», die noch miteinander ringen. Das Bild des provinziellen Heimatdichters ist aber nicht mehr dabei.