Selb – Seit acht Jahren blicken nun schon Gast-Referenten „Über den Tellerrand“ in der Galerie Goller – sie bekommen außer diesem stehenden Titel kein Thema, höchstens die Vorgabe, ihre Berufs- und Lebenserfahrung einzubringen. Davon hatte Dr. Tomás Kafka aus Prag am Sonntag einen überquellenden Vorrat dabei. Hans-Jochen Goller begrüßte ihn als „ziemlich Groußen“, denn der derzeitige Leiter des tschechisch-deutschen Zukunftsfonds, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Übersetzer, Schriftsteller, Diplomat und Manager wird gehandelt als der künftige Botschafter Tschechiens in Irland.

Angesichts dieser Respekt heischenden Angaben horchten die zahlreichen Zuhörer auf, als Kafka mit selbst verfassten, zwanglos-skurrilen Kurzgedichten loslegte: „Schnappschüsse der Wirklichkeit, die mir begegnet ist“. Er habe es zunächst als „dreist“ empfunden, auf Deutsch zu dichten, aber er sei erblich belastet durch seinen Vater, der Kafka übersetzt hat. Und durch dessen Freundschaft mit Günter Grass sei er als „Objekt“ in einen seiner Romane hineingeraten – nun wolle er „als Subjekt mitmischen“. Dass er nicht nur sehr korrekt, sondern auch sehr farbig Deutsch spricht, hatten die Zuhörer da schon erkannt.

Die kurzen Zeilen seiner kleinen Werke („Postkartenlänge“) wimmeln von Wortspielen, deren oft tieferer Sinn sich beim schnellen Vorlesen nicht immer erschließt. Im Gedächtnis bleiben Verbindungen, etwa die von Himmel, Alpen und Träumen, die manchmal Himmler heißen. Mit Steigerungen spielt er überhaupt gerne: „Die Schlacht der Geschlechter: Das eine ist schlecht, das andere – noch schlechter“. Es spitzen Anspielungen auf Literatur durch wie „Thomas Mann – die unerträgliche Mannhaftigkeit“ und auf die politische Gegenwart und ihren „Zoff über den EU-Verfassungsvertrag“. Seine Verspieltheit hat Kafka bis ins Berufsleben verpflanzt: „Ich kommuniziere auch mit meinen Vorgesetzten in gereimter Form“, und er hat von ihnen und – so unglaublich das klingt – aus dem deutschen Außenministerium und sogar aus der bayerischen Staatskanzlei gereimte Antworten erhalten. Dem zugrunde liegenden Anliegen, „die deutsch-tschechischen Beziehungen zu beschenken“, haben die Tschechen nun auch Kafkas Übersetzung des „Struwwelpeter“ zu verdanken. In einer der Buchhandlungen sei der Absatz höher gewesen als der von Harry Potter.

Selbstironie ist Kafkas Stärke; gleichwohl kann er fundiert und souverän über die Arbeit und die Finanzierung des Zukunftsfonds sprechen. Um eine Autobahn durchs Fichtelgebirge etwa kann es dort gar nicht gehen: Alle Projekte müssen partnerschaftlicher Natur sein. Die Bundestagsabgeordnete Petra Ernstberger bestätigt: „Keine Infrastrukturprojekte, sondern Begegnungen.“ Kafka beschwört die künftige Partnerschaft: „Der Wegfall der Grenzen wird die gemeinsame Lebensart stärken.“ Einer seiner Beiträge dazu ist es, das Spielerische, den Humor der Tschechen zu vermitteln – und von der Ernsthaftigkeit der Deutschen zu lernen. Bärbel Lüneberg