Bad Steben - Der Frühling, sagte Museumschefin Dr. Linn Kroneck, bringe "einen anderen Lebensgeist mit karibischem Touch" ins von ihr geleitete Haus. Für die Einführung in die Schau, die am Sonntag eröffnet wurde, war ein Gast angereist. Werner Meyer, Direktor der Kunsthalle Göppingen, kennt den versierten Grafiker Eckhard Froeschlin aus Scheer an der Donau, der die gesamte Palette der Radiertechniken auszureizen versteht, schon seit gemeinsamer Schulzeit. Wie kaum ein anderer ist er darum mit dessen Werk vertraut, und er weiß, "wie man die Bilder lesen kann". Werner Meyers Diavortrag führte vom Allgemeinen - jeder Künstler beziehe sich auf andere und male eine Mixtur aus den vielen Gemälden, die er im Kopf habe - rasch zum Besonderen. In einer Froeschlin-Hommage an Géricaults "Floß der Medusa" erkannte der Referent je eine Diagonale des Lebens und des Todes, wies Einflüsse nach von Caravaggio bis Delacroix und von Truman Capote bis Peter Weiss ("Die Ästhetik des Widerstands").

Gut zu wissen

Die Kunsthalle der 57 000-Einwohner-Stadt Göppingen in Baden-Württemberg wurde im Jahr 1989 als städtische Galerie gegründet. Ihr Direktor Werner Meyer sagt, er habe bei null angefangen - mit 500 Blatt Papier, einer mechanischen Schreibmaschine und einem Telefon. Sein Budget betrage etwa ein Drittel dessen, worüber vergleichbare Häuser verfügen.

Dennoch gelang es ihm, mit Nagelkünstler Günther Uecker zu starten und Berühmtheiten wie Roman Opalka, James Turrell, Ilya Kabakov und Nan Goldin folgen zu lassen. Im Ruhestand, den er bald antreten wird, will Meyer "die intellektuelle Freiheit auskosten" und viel über Kunst schreiben.


Der Künstler Froeschlin, erfuhr das Publikum, stellt seine Bilder gern in einen kulturellen wie geschichtlichen Kontext. Er porträtiert Maler, die die Kunst verändert und revolutioniert haben, und Schriftsteller, die für ihn prägend waren. Ein Mappenwerk ist Nietzsche ("Ich glaube, dass die Künstler oft nicht wissen . . .") gewidmet, ein anderes Hölderlins Donau-Hymne "Der Ister", ein drittes den "letzten Tagen von Karl-Marx-Stadt". Immer erkennbar ist ein Ringen um die Form, das mit expressivem Ausdruck und der Zuspitzung aufs Wesentliche gelingt. Auch ins Archiv seiner Zeichenbücher lässt Froeschlin die Betrachter blicken - eine sich auflösende Engelsfigur ist kennzeichnend für Erkundungen im Grenzbereich des Benennbaren - und ins eigene Atelier mit dem Handwerkszeug, das jenen "magischen Moment" möglich macht, in dem das bedruckte Papier aus der Radierpresse kommt.

Dass er ein kritischer Geist ist, unterstreichen Arbeiten wie "Private Property" (Privateigentum) und die riesige rote Wolke, die in Verehrung des italienischen Linken Renato Guttuso entstand. Der kämpfte in seinen Bildern gegen die "Qualen, die charakteristisch sind für die Welt der Unterdrücker und Unterdrückten". Charakteristisch sind sie auch für das kleine, arme "Katastrophenland" Nicaragua in Zentralamerika, von dem gesagt wird, dass jeder zehnte seiner Bewohner Gedichte schreibt. Seit 1989 ist Froeschlin 14 Mal dorthin gereist, um Künstlern Hilfestellung zu leisten. Schon der erste Workshop führte zur Gründung der Gruppe "Taller Contil" (Rußwerkstatt), deren vielschichtige und farbenprächtige Werke Froeschlin seither in Ausstellungen und auf Messen zeigt; vor allem Künstlerbücher, sagt er, finden in den USA reißenden Absatz. Derzeit ist die Gruppe "zersprengt": Mitglieder sind untergetaucht, geflüchtet, vielleicht verletzt oder tot; einer von ihnen, Daniel Pulido, wartet als Gastkünstler in Sigmaringen auf bessere Zeiten. Um die jetzt gezeigten Bilder aus Nicaragua richtig zu lesen, ist - wie bei Froeschlins Grafiken und grundsätzlich bei Kunst - laut Meyer dreierlei nötig: Geistesgegenwart, Einfühlung - und Zeit.

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Bis zum 7. Juli, täglich von 9 bis 18 Uhr. Katalog 10 Euro, mit originalgrafischem Umschlag 15 Euro.