Die Hofwellers haben sogar ein Gutachten des Nephrologischen Zentrums Marktredwitz-Selb, in dem der Rollstuhl befürwortet wird: "Eine so häufig wie möglich geänderte Körperfunktion" würde unter anderem die Lungenbelüftung befördern und helfen zu vermeiden, dass es "immer wieder zu Infektsituationen kommt, letztens sogar eine Lungenentzündung", wegen der Martin Hofweller samt Pfleger gar ins Krankenhaus musste. Die Logik der Nierenärzte: Der Rollstuhl würde helfen, für die Krankenkasse teure Zusatzerkrankungen zu vermeiden.
Die AOK konnte sich dem nicht anschließen. Sie verweist in Unterlagen darauf, dass bei Hilfsmitteln der "Grundsatz von medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten" ist. Und für die "noch realistische Teilhabe" sei die vorhandene Liege ausreichend. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) kommt wortgleich zum gleichen Urteil - ohne sich zuvor persönlich ein Bild von der Situation gemacht zu haben, wie es wenigstens die AOK tat, so Antonia Hofweller.
Derzeit läuft der Widerspruch der Familie gegen die Ablehnung. Auf Nachfrage bekräftigt Steffen Habit, Pressereferent der AOK Bayern in München, die Position der Kasse. Für einen Personen-Transport im Auto sei der elektrische Multifunktionsrollstuhl nicht zugelassen. Die AOK habe 2013 "die Kosten für einen elektrisch verstellbaren Mobilisationsrollstuhl (Transportliege) übernommen". Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern kommt in zwei Gutachten zu dem Schluss, dass "der bereits vorhandene Mobilisationsrollstuhl über die gleichen Charakteristika verfügt wie der jetzt gewünschte elektrische Multifunktionsrollstuhl. Der Mobilisationsrollstuhl ist elektrisch in verschiedene Liege- und Sitzpositionen verstellbar und kann für den sicheren Transport verwendet werden." Dem widerspricht Antonia Hofweller: An der Transportliege, die die AOK als "elektrisch verstellbaren Mobilisationsrollstuhl" bezeichnet, lasse sich nur Kopf und Fußteil höherstellen, eine sitzende Position sei nicht möglich.
Martin Hofweller kann zwar nicht mehr reden, aber mithilfe eines komplizierten Systems kommunizieren. Er kann seine Gedanken in eigene Worte fassen, was ihm der Rollstuhl bedeutet: "Ich kenne jedes Astloch mit Vornamen." Ihm fehlt "Sonne, Wind, Regen, Abwechslung, Vogelzwitschern. Jeder Gefangene hat Anrecht auf Freigang und Aufenthalt an der frischen Luft. Ich nicht, ich muss im Bett verfaulen. Ich nehme es persönlich, dass ich der Einzige bin, dem alles verwehrt ist. Ein Rollstuhl wäre das Ende der Trübsinnigkeit. Denn Trübsinn kann krank machen. Ich habe schon Depressionen." Dabei denkt Martin Hofweller besonders an seine Tochter Ronja: "Wie wäre es für Ronja, wenn ich mobiler wäre?" Antonia Hofweller ergänzt: "Die würde dich überall hin mitschleppen. Das wäre ein Traum. Sie sagt immer: "Der Vater kann nirgendwo mit hin.'"
Derweil blättert Ronja in einem Bilderbuch, in dem gute Drachen gegen böse Drachen kämpfen. "Das ist die AOK", sagt sie und deutet auf einen bösen Drachen. Irina, Martins Pflegerin, ist diplomatischer: "Es wäre schön, wenn es bis Juni klappt. Dann haben sie Silberhochzeit." Und sie bedauert, dass Martin - der früher selbst Krankenpfleger war - "auf seine Krankheit reduziert wird. Stephen Hawking ist Martins großes Vorbild."